(Bearbeitungsstand vom 29. April 2021)
Melanie Klein, geb. Reizes (*30. März 1882 Wien; gest. 22. September 1960 London) war Psychoanalytikerin und Dozentin am Berliner Psychoanalytischen Institut. Sie floh vor dem wachsenden Antisemitismus aus Ungarn und lebte von 1921 bis 1927 in Berlin. Mit Unterstützung von Karl Abraham und Nelly Wolffheim vertrat sie die Kinderanalyse am Berliner Psychoanalytischen Institut. Melanie Klein galt als originelle und radikale Denkerin. Ihre theoretischen Entwürfe zur frühkindlichen Entwicklung lösten kontroverse und fruchtbare Diskussionen aus. 1927 folgte sie der Einladung von Ernest Jones nach London. Sie war die Gegenspielerin von Anna Freud und drohte die British Psychoanalytical Society mit ihrer „Kinderanalyse ohne pädagogische Sentimentalitäten“ zu sprengen. (Bildrechte:CC-BY 4.0)
Berliner Adressen Melanie Kleins:
1921 Berlin-Schmargendorf, Cunostraße 46
1923 Berlin-Dahlem, Auf dem Grat 19 (heute Nr. 44)
1923, 1924 Berlin-Charlottenburg, Augsburger Straße 47 (heute Nr. 23), Pension Rosa Stößinger, zeitgleich mit der Wiener Psychoanalytikerin Helene Deutsch
1925 -1926 Berlin- Wilmersdorf, Jenaer Straße 20
1929, Melanie Klein und Karen Horney. Psychoanalytischer Kongress, Oxford.
Mit freundlicher Genehmigung des Sigmund Freud Archives und der Library of Congress.
Zur Biographie
Melanie Reizes unter dem starken Einfluss ihres großen Bruders
Melanie Reizes war das vierte und jüngste Kind. Ihr Vater, Moriz Reizes (*1828; gest.6.4.1900) stammte aus einer strenggläubigen jüdischen Familie aus Lemberg, Galizien. Nachdem er zunächst als Talmud-Gelehrter jüdische Überlieferung und jüdisches Recht studiert hatte, löste er sich von der Tradition und wurde Arzt und Zahnarzt. Ihre Mutter, Libussa, geb. Deutsch (*1852; gest.1914), war 24 Jahre jünger als ihr Vater und betrieb später ein Geschäft zum Verkauf von Pflanzen und Reptilien. Die drei ersten Kinder, Emilie (*1876; gest.1940), Emanuel (*1877; gest.1902) und Sidonie (*1878; gest.1886) wurden noch im Burgenland geboren. Dann zog die Familie nach Wien, der Geburtsstadt Melanies.
Als Melanie 4 Jahre (1886) alt war, starb ihre ältere Schwester Sidonie an Skrofulose (TBC). Nur drei Jahre später erkrankte auch ihr Bruder lebensbedrohlich an Scharlach, TBC und Gelenkrheumatismus. Seine Gesundheit blieb fragil.
Melanie Reizes besuchte das Lyzeum und schloss sich der Freundesgruppe ihres Bruders an, die sich mit Arthur Schnitzler, Friedrich Nietzsche und Karl Kraus befasste. Emanuel unterstützte ihren intellektuellen Ehrgeiz – und so bestand sie die Prüfung zur Aufnahme in das Gymnasium. Dass sie das Abitur (1899) ablegte und Geschichte und Kunst in Wien studierte ist nicht sicher belegt. Jedenfalls lernte sie in dieser Zeit ihren späteren Ehemann Arthur Stevan Klein aus Rosenberg (Ružomberok, ursp. Ungarn, heute mittlere Slowakei), einen Vetter 2. Grades kennen. Emanuel war von seiner Intellektualität beeindruckt und da er einen großen Einfluss auf sie ausübte, ließ sie sich mit Arthur Klein ein.
Das Jahr 1900 brachte gravierende Veränderungen: Moritz Reizes starb nach längerer Leidenszeit (wahrscheinlich an Alzheimer) und Emilie heiratete den jungen Arzt Leo Pick. Es ging der Familie finanziell schlecht. Emanuel ging nach Italien. Er war fest davon überzeugt, jung zu sterben und wollte sein Leben ausschweifend genießen. Eigentlich litt er wohl an einer schweren, hysterisch aufgeladenen Depression. Drogenabhängigkeit, Spielsucht und schlechte Ernährung führten zu seinem zunehmenden Verfall. Er starb am 2. Februar 1902. Mit großer Hartnäckigkeit gelang es Melanie Klein seine schriftstellerischen Fragmente zu ordnen und einen Verleger zu finden, der sie unter dem Titel „Aus einem Leben“ 1906 herausgab.
Familiengründung unter der Regie von Libussa Reizes
Während Arthur Klein an der ETH in Zürich Chemie und Ingenieurwesen studierte, begann eine Zeit des Wartens für Melanie Reizes, die sie im Wesentlichen bei der Familie ihres zukünftigen Ehemannes, vor allem mit seiner Schwester Jolanthe verbrachte, bis er nach einem Studienaufenthalt aus den USA 1903 zurückkehrte und als promovierter Chemie-Ingenieur für die Papierindustrie eine Stelle in Rosenberg fand. Das Paar heiratete.
Am 19. Januar 1904 wurde ihre Tochter Melitta in Rosenberg geboren (gest.1983 in London). Die kleine Familie reiste an die Adriaküste und im folgenden Jahr begleitete Melanie Klein ihren Mann zu dem Ingenieurskongress nach Rom.
Am 2.März 1907 kam ihr Sohn Hans zur Welt. Als Arthur Klein zum Direktor der Papiermühlen des Grafen Henckel-Donnersmarck nach Krappitz (Oberschlesien, Krapkowice, Polen) berufen wurde, zog die Familie in den kleinen provinziellen Ort. Melanie Klein fühlte sich hier sehr depressiv und unglücklich in ihrer Ehe. Ihre Mutter Libussa begann sich in die Ehe von Arthur und Melanie Klein einzumischen, die Versorgung und Erziehung der Kinder zu übernehmen und im Haushalt die Regie zu führen. „Wegen ihrer Gesundheit“ riet ihre Mutter ihr, ohne die Kinder zu reisen und Freunde und Verwandten zu besuchen. Zur Behandlung der Depression nahm Melanie Klein Kohlensäurebäder und fuhr in den Kurort Abbazia; 1909 ging sie nach Chur in ein Schweizer Sanatorium und anschließend nach St. Moritz.
1910 zog die Familie – zusammen mit Melanies Mutter - nach Budapest. Melanie Klein schloss sich Arthurs Schwester Jolanthe Vágó an und verbrachte die Sommer der folgenden beiden Jahre, mit Jolanthes geschiedener Schwägerin Klara Vágó auf Rügen, mit der sie eine innige Freundschaft verband. Gedichte, die sie in dieser Zeit verfasste, legen nah, dass sie eine Liebesbeziehung hatten.
Analyse bei Sándor Ferenczi
In dem lebendigen intellektuellen Leben in Budapest mit seinen informellen Diskussionszirkeln, wie dem „Galileikreis“ der Brüder Karl und Michael Polányi, dem „Sonntagskreis“ (um den Philosophen György Lukács) und durch den Kreis junger Ärzte, vor denen Freuds enger Mitarbeiter Sándor Ferenczi Vorträge hielt, wuchs das allgemeine Interesse an der Psychoanalyse (siehe Link zu Sándor Radó). Melanie Klein litt weiterhin unter schweren Depressionen und hoffte nun, dass Psychoanalyse ihr helfen könnte. Sie begab sich – möglicherweise bereits seit 1912, sicher ab 1914 - zu Sándor Ferenczi in Behandlung.
Am 01.07.1914 wurde ihr drittes Kind, Erich, geboren (in England nannte er sich Eric Clyne gest.11.06.1987 in Norwegen). Nur wenige Monate später starb Libussa Reizes (06.11.1914).
Klein begann Freuds Traumdeutung zu lesen und war begeistert. Die Beschäftigung mit Psychoanalyse brachte die wichtigste Wendung in ihrem Leben – denn Ferenczi lenkte ihre Aufmerksamkeit auf ihre besondere Begabung, Kinder zu verstehen und ermutigte sie, sich mit der Analyse von Kindern zu befassen.
Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs veränderte sich Melanie Kleins Leben. Arthur Klein wurde eingezogen, und auch Ferenczi musste Dienst als Arzt bei den ungarischen Husaren tun. Die Analyse konnte nur mit Unterbrechungen fortgesetzt werden.
Der V. Internationale Psychoanalytische Kongress fand am 28. und 29. September 1918 in Budapest im Sitzungssaal der Ungarischen Akademie der Wissenschaften statt. Sándor Ferenczi löste Karl Abraham in der Präsidentschaft der Internationalen Psychoanalytischen Vereinigung (IPV) ab. An diesem Kongress nahm Melanie Klein noch als „Frau Dr. Arthur Klein“ teil. Für sie war es ein besonders bewegender Moment, als sie Freud persönlich bei dem Verlesen seines Vortrags „Wege der psychoanalytischen Therapie“ erlebte.
Die Ungarische Psychoanalytische Vereinigung bestand seit 1913. Ihre Zusammenkünfte waren eher offene Treffen, zu denen auch Angehörige und Gäste willkommen waren. Sándor Ferenczi war der Vorsitzende. Im Juli 1919 wurde Melanie Klein nach einer Fallstudie eines kleinen Jungen (publiziert ein Jahr später in der IZfP 6 mit dem Titel „Der Familienroman in statu nascendi“) in die Ungarische Psychoanalytische Vereinigung aufgenommen. Es waren Beobachtungen an ihrem jüngsten Kind, die nun zur Grundlage ihrer Theorie wurden. 1921 erschien in der Zeitschrift Imago (7) ein weiterer Fallbericht: „Ein Kind entwickelt sich“. Die Identität des Jungen versuchte sie zu kaschieren.
An dem VI. Internationalen Psychoanalytischen Kongress vom 8. bis 10. September 1920 in Den Haag nahm Melanie Klein als reguläres Mitglied teil. Hier lernte sie die Kinderanalytikerin Hermine Hug-Hellmuth aus Wien kennen und vor allem Karl Abraham, der sie nach Berlin einlud, um hier Kinderanalyse einzuführen.
Obwohl Ferenczi unter der kommunistischen Regierung Béla Kúns der weltweit erste Professor für Psychoanalyse wurde und einige Psychoanalytiker – wie Sándor Radó und Jenö Hárnik – Staatsämter bekleideten, verließ die Familie Klein Ungarn. Arthur Klein war als Invalide aus dem Krieg zurückgekehrt und konnte seine Position in Budapest nicht wieder einnehmen. Melanie und er hatten sich auseinandergelebt und er ging als Berater einer Papierfabrik nach Schweden. Alle Familienmitglieder nahmen die schwedische Staatsbürgerschaft an und ließen sich, angesichts des wachsenden Antisemitismus, katholisch taufen. Melanie Klein und die Kinder zogen zunächst zu ihren Schwiegereltern nach Rosenberg, das seit 1919 zur Tschechoslowakei gehörte.
Melanie Kleins Berliner Jahre
Anfang Januar 1921 ging Klein mit ihrem jüngsten Sohn nach Berlin. Melitta blieb bis zu ihrem Abitur in Rosenberg, folgte ihrer Mutter dann nach Berlin und studierte Medizin. Hans war in einem Internat in der Hohen Tatra untergebracht.
Zusammen mit Erich wohnte Melanie Klein zunächst in einer Pension, dann in einer möblierten Wohnung in der Cunostraße. Als die beiden älteren Kinder zu ihr kamen, wechselte sie fast jährlich die Wohnung. Melanie Klein bemühte sich nun um einen Neubeginn in einem gemeinsamen Haus (Auf dem Grat 19), das Arthur Klein bauen ließ. Es war eine großzügig konzipierte Villa mit Bauhausstilelementen, in das sie Anfang 1924 zogen. Ein knappes Jahr später verließ Melanie Klein ihren Mann endgültig. Arthur Klein lebte bis 1937 in der Villa. 1939 starb er in der Schweiz (Sion).
Kurz nach ihrer Ankunft in Berlin führte sich Melanie Klein sehr selbstbewusst mit zwei Vorträgen zur Kinderanalyse in die Berliner Psychoanalytische Gesellschaft ein. Sie analysierte nicht nur ihre drei eigenen Kinder, sondern nahm auch die Kinder von Kollegen in „prophylaktische Analyse“, die der Gefahr der Neurosenentwicklung vorbeugen sollte. Darunter waren Karen Horneys zweitälteste Tochter Marianne, die später Analytikerin wurde und auch die jüngste Tochter, Renate, Felix Boehms Tochter, Ernst Simmels Sohn und Clara Happels Kinder. Marianne Horney erzählte, dass sie zwei Jahre lang zwei Mal wöchentlich zur Analyse gegangen war, auf der Couch lag und alles erzählte, was sie während der Woche erlebt hatte. In den letzten 10 Minuten der Stunde fasste Melanie Klein das Gesagte zusammen und deutete es. Es gab keine Diskussionen. Von Melanie Klein ging keine Wärme aus. Nachdem die kleine Renate Horney ihr in der Analyse erzählt hatte, dass sie gern auf Bäume klettere und Indianer spiele, deutete Melanie Klein Renates kindliches Vergnügen als Penisneid und anales Spiel. Bei dieser Art Deutungen verkroch sich Renate unter die Couch und hielt sich die Ohren zu. Melanie Klein folgerte zunächst daraus, dass die Analyse nicht tief und radikal genug durchgeführt worden sei. Dann begann sie ihre Technik zu verändern: an die Stelle der freien Assoziation trat nun das Kinderspiel.
Am 22. April 1924 hielt Melanie Klein auf dem 8. IPV-Kongress in Salzburg einen Vortrag "Zur Technik der Frühanalyse". Darin führte sie aus, dass alle Äußerungen des Kindes wie Spiele, Zeichnungen und Fantasien nach den Regeln der Traumdeutung zu analysieren seien, um auf diesem Weg die real erlebten Traumata der Geburt, der Urszene, der Entwöhnung, der Reinlichkeitserziehung und der ödipalen Rivalität herauszuarbeiten und zu bewältigen. Ernest Jones, der Präsident der IPV, sah die Zukunft der Psychoanalyse in der Kinderanalyse. In der Berliner Vereinigung stießen Kleins Sexualdeutungen, vor allem bei Sándor Radó, Franz Alexander und Hans Lampl, allerdings auf heftigen Widerstand. Unterstützung fand sie vor allem bei Felix Boehm, Karen Horney, Josine Müller (erste Frau von Carl Müller-Braunschweig), Alix Strachey, und Ada Schott (ab 1925 zweite Frau von Carl Müller-Braunschweig), mit der sie ein besonderes Vertrauensverhältnis verband. Auch in Wien wurden ihre Gedanken skeptisch aufgenommen. Welche destruktiven Auswirkungen die psychoanalytische Behandlung der eigenen Kinder haben kann, zeigt sich wohl darin, dass alle drei Klein-Kinder später weitere Analytiker aufsuchen mussten. Melitta ging zu Karen Horney, Ella Sharpe und Edward Glover, Hans zu Ernst Simmel und Erich zu Nina Searl, Donald Winnicott und Betty Joseph. Als Melitta Klein, verh. Schmideberg, inzwischen Ärztin und Mitglied der British Psychoanalytical Society (BPaS) in ihrer Analyse bei Edward Glover ihren Hass gegen ihre Mutter entdeckte, wurde sie zu ihrer scharfen Gegnerin und stellte die empirische Grundlage der Klein'schen Theorien radikal infrage. Hans verunglückte im April 1934 tödlich bei einer Bergwanderung, und es wird vermutet, dass er sich das Leben genommen hat.
Seit Anfang 1924 bis Mai 1925 ging Melanie Klein zu Karl Abraham in Analyse, von dem sie meinte, dass seine Theorie ein Bindeglied zwischen ihren eigenen und den Freudschen Thesen sein könnte. Karl Abraham brachte ihr besondere Wertschätzung entgegen. Auf seine Empfehlung begann sie eine Zusammenarbeit mit Nelly Wolffheim (ebenfalls Analysandin von Abraham), die einen Kindergarten leitete und dann auch ihre Sekretärin wurde.
Melanie Klein genoss das freie Berliner Leben. Zusammen mit Alix Strachey besuchte sie besonders gern Tanzveranstaltungen. Auf einem Faschingsball amüsierte sie sich als Kleopatra und traf hier auf ihre ebenso tanzfreudigen Kollegen Hanns Sachs und Sándor Radó. Alix Strachey, die der Bloomsbury Group nahestand, verbrachte ab September 1924 ein Jahr in Berlin, um nach ihrer 15-monatigen Analyse bei Freud, zu Karl Abraham in Analyse zu gehen. Sie war sich mit Melanie Klein einig, dass Abraham der bessere Analytiker sei. Als Begleiterin fand Strachey Melanie Klein allerdings ein bisschen langweilig (Meisel, P. u. Kendrick, W., S. 180).
Begeisterte Aufnahme in London
Alix Strachey stellte den Kontakt zu Ernest Jones her. Melanie Klein wurde nach London eingeladen und konnte im Sommer 1925 in sechs Vorträgen ihre Theorie in der British Psychoanalytical Society vorstellen. Sie wurden zur Grundlage von Kleins bahnbrechender Publikation unter dem Titel: „Die Psychoanalyse des Kindes“. Ermutigt von der begeisterten Aufnahme ihrer Vorträge und unterstützt von Jones, der sie einlud seine beiden Kinder und seine Frau zu analysieren, ging sie, nach dem Tod ihres Mentors Karl Abraham (am 25. Dezember 1925) mit ihrem jüngsten Sohn nach London. Ab 1930 erschienen ihre Publikationen im Original auf Englisch, nachdem in der Zwischenzeit drei Arbeiten sowohl in Englisch als auch in Deutsch erschienen waren. The Psychoanalysis of Children (1932) wurde bereits 1934 ins Deutsche übersetzt (Die Psychoanalyse des Kindes).
Melanie Kleins Geliebter, C. Z. („Hans“) Kloetzel, der Journalist in Berlin, beim „Berliner Tageblatt“ war, trennte sich von ihr und ging 1933 mit seiner Frau und Tochter nach Palästina. Kleins Tochter Melitta hatte 1924 den Psychoanalytiker Walter Schmideberg geheiratet und schloss in Berlin 1927 ihr Medizinstudium mit Auszeichnung und der Zusatzqualifikation zur Behandlung von Sprechbehinderungen und einer Promotion („Die Geschichte der homöopathischen Bewegung in Ungarn") ab.
Melanie Klein wurde im Oktober 1927 Mitglied der British Psychoanalytical Society.
Nach dem Tod ihres Sohnes Hans, 1934 verfiel Melanie Klein in eine tiefe Depression. Paula Heimann, eine junge jüdische Psychoanalytikerin, die aus Deutschland vertrieben worden war und völlig mittellos nach England kam, fing sie in ihrer Depression auf, wurde zu ihrer Sekretärin und schließlich zu ihrer Analysandin. Klein zwang ihre Analysandin und Mitstreiterin in eine bedingungslose Loyalität und verbot ihr, darüber zu sprechen, dass sie bei ihr in Analyse war.
Kontroverse Positionen
Melanie Kleins Gallenblasenoperation im Jahre 1937 wird als Wendepunkt in ihrer Biographie beschrieben: danach setzte sie sich kämpferisch für ihre Positionen (z.B. Maria Montessori gegenüber) ein.
Die British Psychoanalytical Society erfuhr durch die vielen europäischen Flüchtlingen, unter ihnen auch Anna Freud, die sich ebenfalls als Kinderanalytikerin profiliert hatte, eine tiefgreifende Veränderung. Im Gegensatz zu Anna Freud sah Melanie Klein in den unbewussten Phantasien von sehr kleinen Kindern die Abwehr des Konflikts zwischen Aggression und Liebe repräsentiert, der archaische Ängste auslösen konnte. Unbewusste Phantasien, die ihren Ausdruck im Spielen fanden, wurden damit zum Medium der Kommunikation zwischen Analytikerin und ihren kleinen Patienten. Melanie Klein schuf ein facettenreiches System von Entwicklungspositionen und analysierte Kinder, die nicht älter als 2 ½ Jahre alt waren. Anna Freud dagegen sah eine gewisse Ich-Entwicklung, zu der auch sprachliche Ausdrucksfähigkeit gehörte, als Voraussetzung für die Übertragungsfähigkeit ihrer kleinen Patienten, die erst in der Latenzzeit, ungefähr zwischen 5 und 10 Jahren für eine analytische Technik, mit der Deutung von Trieb und Widerstand, zugänglich seien (Ermann, S.57 – 65).
Als Melanie Klein ihre Position vor der BPS präsentieren sollte, forderte sie Paula Heimann, ihre „Kronprinzessin“ und ihre Schülerin Susan Isaacs dazu auf, Vorträge zu verfassen und diktierte ihnen deren Inhalt. Susan Isaaks rebellierte aber Paula Heimann, die noch bei Klein in Analyse war, fühlte sich in einer Zwickmühle und versuchte einen Kompromiss zu finden. Die zehn folgenden wissenschaftlichen Sitzungen sind in den „Controversial Discussions“ (1942 – 1944) publiziert. Sie führten zu einer Formierung einer rasch wachsenden Gruppe von „Kleinianern“, denen die „Freudianer“, die vor allem den ursprünglichen Stamm der Gesellschaft repräsentierten, gegenüberstanden. Zwischen beiden entwickelte sich die „Middle Group“ (später „Group of Indipendent Analysts“). Es war nicht leicht für Paula Heimann, sich von ihrer Abhängigkeit von Melanie Klein zu befreien. Als sie ihre eigene Position zur Gegenübertragung als Untersuchungsinstrument des Analytikers öffentlich auf dem Internationalen Psychoanalytischen Kongress in Zürich 1949 vertrat, musste sie Melanie Kleins Zorn ertragen. Erst im November 1955 gelang Heimann die offizielle Trennung von der Klein-Gruppe (King, S.1-S.7).
1955 wurde der Melanie „Klein-Trust“ zur finanziellen Unterstützung Kleinianischer Ausbildung, Forschung und Publikation ihrer Schriften gegründet. 1957 erschien Envy and Gratitude
Die Persönlichkeit von Melanie Klein umgibt eine Atmosphäre spannungsvoller Faszination. Die Wirkung ihrer Ideen hat sich in Deutschland erst seit Mitte der 80er Jahre gezeigt.
Melanie Klein starb am 22. September 1960 im Londoner University College Hospital an den Folgen einer Darmkrebsoperation.
Posthum erschienen Narrative of a Child Analysis (1961) und Our Adult World and Other Essays (1963).
Literatur:
Ermann, M. (2012): Psychoanalyse in den Jahren nach Freud: Entwicklungen 1940-1975. Kolhammer, Stuttgart.
Grosskurth, P. (1993): Melanie Klein. Ihre Welt und ihr Werk. Stuttgart
Lück, H. u. Mühlleitner, E. (Hg.) (1993): Psychoanalytiker in der Karikatur. München.
King, P. (1989) Paula Heimann's quest for her own identity as a psychoanalyst: an introductory memoir. In: Tonnesmann, M. (Hrsg.) About Children and Children-No-Longer. Collected Papers 1942 - 80. Tavistock/Routledge London and New York.
Meisel, P. u. Kendrick, W. (1986) (Hrsg.): Bloomsbury/ Freud. The Letters of James and Alix Strachey 1924-1925. London.
McEnroe, F. J. (1986): Psychoanalysis and early education: a study of the educational ideas of Sigmund Freud (1856-1939), Anna Freud (1895-1982), Melanie Klein (1882-1960), and Susan Isaacs (1885-1948). PhD thesis. http://theses.gla.ac.uk/2094/
Melanie Klein Trust. Furthering the psychoanalytic theory and technique of Melanie Klein. http://www.melanie-klein-trust.org.uk/1903-20-+Budapest-marriage-%26-familyj
English Chronicle
1882 30th March: Melanie Klein is born in Vienna as the youngest of four siblings, after the family’s move from the Burgenland. Father: Dr.Moritz Reizes from Lemberg (West of Ukraine), Talmud scholar, later rebelling against orthodox Judaism. He becomes a doctor and dentist. Mother: Libussa, née Deutsch, is 24 years younger than her husband: she is running a business (for plants and reptiles). Siblings: Emilie (1876 – 1940), Emanuel (1877 – 1902) and Sidonie (1878 – 1886).1886 Sister Sidonie dies of Tuberculosis. Melanie Klein visits the grammar school and is part of the intellectual circle around her brother Emanuel, who is regarded as a gifted pianist and author. Meetings with Arthur Schnitzler, Friedrich Nietzsche, Karl Krauss. Emanuel teaches her Greek and Latin to enable her to visit a grammar school.
1900 6th April: Death of Dr. Moriz Reizes. 25th December: The doctor Leo Pick marries her sister Emilie.
1901 Melanie Klein gets engaged with her cousin (once removed), Arthur Stevan Klein from Rosenberg (Liptau, Hungary), a chemistry engineer in the paper industry. She studies arts and history at Vienna.
1902 2nd February: Her beloved brother Emanuel, having fallen ill with incurable tuberculosis, dies in Italy from drug misuse and malnutrition.
1903 31st March: Marriage and move to Rosenberg.
1904 19th January: Birth of daughter Melitta
1907 2nd March: Birth of son Hans. Both children are looked after by M.Klein’s mother, as Melanie Klein is seeking help in several health resorts.(End of the year) Move to Krappitz (Upper Silesia).
1910 Move to Budapest. Becomes acquainted with S. Freud’s ‘Interpretation of Dreams’.
1914 1st July: Birth of Erich. 6th November: Death of mother.
1914 – 1919 Melanie Klein suffers from depression and enters in psychoanalysis with Ferenczi. Due to the war there are disruptions to the analysis.
1918 28th/29th September: Meeting with S. Freud at the 5th International Congress of Psychoanalysis in Budapest.
1919 Melanie Klein is accepted into the Hungarian Psychoanalytic Society after giving her paper ‘Der Familienroman in statu nascendi’ (The family Romance in statu nascendi), Melanie Klein’s first publication in the Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse 6, 1920. Six further papers are published in German until 1927.
1920 8th-10th September: At the IPA–Congress at Den Haag Melanie Klein is invited to Berlin by Karl Abraham, to ‘carry out pedagogic child psychoanalyses’.
1921 (January) Move to Berlin together with her youngest son Erich (later ‘Eric Clyne’); Melitta is living in Czechoslovakia, finishing her final school exams (Abitur) and Hans stays in a boarding school in the High Tatra. Klein starts studying medicine and works as child psychoanalyst.
1922 25th-27th September: At the IPA-Congress at Berlin Klein gives a paper on ‘Infant Analysis’; she becomes associate member of the Berlin Psychoanalytic Society.
1923 (February) Klein becomes member of the Berlin Psychoanalytic Society.
(End) The attempt to renew her marriage in the new house (Auf dem Grat 19) fails and Melanie Klein leaves the house after one year. Her son Erich moves to a boarding school in South Germany. Klara Happel becomes his first psychoanalyst, followed by Searl, Winnicott and Joseph.
1924 (Beginning) until May 1925: psychoanalysis with Karl Abraham. (April) Her daughter Melitta marries the psychoanalyst Walter Schmideberg. She has analysis with Horney, later with Sharp and Glover; her brother Hans is in analysis with Simmel. 22nd April: At the 8.IPA-Congress at Salzburg M.K. gives a paper ‘Zur Technik der Frühanalyse’ (The Technique of Infant Analysis). Ernest Jones sees the future of psychoanalysis in child analysis. In Berlin, Klein is attacked by Sándor Rádo, Franz Alexander, Otto Fenichel and Hans Lampl for her early interpretations of sexuality. Nelly Wolffheim, the director of a nursery, becomes her secretary; she is supported by Karen Horney, Josine Müller, Alix Strachey and Ada Schott (later Ada Müller-Braunschweig). The children of Boehm, Bally, Horney and Simmel have ‘prophylactic psychoanalysis’ with Klein.
1925 (Summer) Alix Strachey (who belongs to the Bloomsbury group and who has come from London to Berlin to have psychoanalysis with Karl Abraham) organises six public lectures in London at the house of Adrian Stephan (Virginia Woolf’s younger brother). These are the basis of Klein’s first publication ‘The Psycho-Analysis of Children’. Klein meets with high acclaim, so that Jones invites her to London to analyze his two daughters and his wife.
25th December: Death of her mentor Karl Abraham,
1926 (February) C.Z. (‘Hans’) Kloetzel, Melanie Klein’s lover, separates from her.
(September) Move to London. Erich follows in December.
1927 (December) Klein becomes member of the British Psychoanalytic Society. The controversy with Anna Freud deepens. Melitta stays in Berlin to study medicine and completes with distinction. She moves to London the following year.
1930 From now on the original language of Klein’s publications is English, after three publications in both German and English.
1932 Melitta Schmideberg, together with her psychoanalyst Edward Glover, openly attacks her mother. ‘The Psycho-Analysis of Children’ is published.
1934 (April) Her son Hans has a fatal accident. Klein suffers a phase of deep depression. Paula Heimann becomes a ‘comforting substitute’ and her secretary and analysand.
1937 A gall-bladder operation becomes the turning point: Klein fights now for her position; Maria Montessori becomes an opponent too.
1939 (August) Death of Arthur Klein in Sion (Switzerland).
1942 – 1944 The ‘Controversial Discussions’, triggered by the emigrants from Germany and Austria and in particular by Anna Freud’s different ideas on early infant development lead to the formation of a quickly growing group of ‘Kleinians’, faced with the ‘Freudians’, who represent the original core of the Society. In between develops the ‘Middle Group’ (later ‘Group of Independent Analysts’).
1948 Contributions to Psychoanalysis, 1921 - 1945
1955 1st February: Founding of the Melanie-Klein-Trust for the financial support of Kleinian training, research and publication of her writings.
1957 Envy and Gratitude
1960 22nd September: Melanie Klein dies after being operated on a cancer.
1961 Narrative of a Child Analysis
1963 Our Adult World and Other Essays
(Translated by Helga Skogstad)
Für die Überlassung der Bilder vom IPV-Kongress 1934 Luzern (Tim N. Gidal) danke ich dem Jüdischen Museum Wien.
Alle anderen Bilder sind CC-BY 4.0
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Gedenktafel:
Adresse: Augsburger Str. 23, 10789 Berlin
Sponsoren der Tafel: Freunde der Psychoanalyse und Psychoanalytiker
Datum der Enthüllung: 16.10.2004
Mitwirkender: Michael Viernickel