(Bearbeitungsstand vom 14. April 2024)
Ernst Simmel (* 4. April 1882 in Breslau; gest.11. November 1947 in Los Angeles, USA). Simmel lebte von 1910 bis 1934 in Berlin. Er war Mitbegründer des Berliner Psychoanalytischen Instituts, des Sozialdemokratischen Ärztevereins und der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie. Ernst Simmmel gründete die erste psychoanalytische Klinik in Deutschland, das „Sanatorium Schloß Tegel“.
Freud schätzte vor allem "die Echtheit und Intensität seiner Gesinnung" (1928)
Ihm und seiner Familie gelang nur knapp die Flucht vor den Nationalsozialisten. und die Emigration in die USA.
FILM: Sigmund Freud im Sanatorium Schloß Tegel (1927)
Ernst Simmel als sozialistischer Arzt
Der „persönlich völlig unbekannte Anfänger der Psychoanalyse“
Ernst Simmel als vortragender Gast
Die nachgeholte psychoanalytische Sozialisation im Geist der Politik
Ernst Simmel wird zum Repräsentanten der Deutschen Psychoanalytischen
Der „Zeitgeist“ gratuliert Sigmund Freud
Der preußische Bildungsminister Carl Heinrich Becker
Sanatorium Schloß Tegel, Freuds friedliche Oase
Ernst Simmel, der Arzt, gehört zu den „unlicensed people“
Simmel als psychoanalytischer Multiplikator
Trauern mit bitterem Nachgeschmack
Ernst Simmels Abschiedsbrief an Anna Freud vom 6. November 1947
1914 Berlin-Treptow, Scheibler Str. 6 (Praxis) (Post Baumschulenweg)
1919 I Berlin-Kreuzbg., Großbeerenstr. 3
1919 II-1923 Berlin-Wilmersdf., Emserstr.21
1925-1927 Berlin-Grunew., Caspar-Theysstraße 9
1929 Berlin-Schmargendf., Kudowastr. 27
1929-1930 Berlin-Tegel, Sanatorium Schloß Tegel
1931-1936 Berlin-Westend, Eichenallee 23 (siehe Adressbuch)
FILM
Sigmund Freud im Sanatorium Schloß Tegel (1927)
Der Kommentator: Sandor Lorand
Mit freundlicher Genehmigung des Sigmund Freud Archives und der Library of Congress.
Biographie
Die Nachweise können gern erfragt werden
Ernst Simmels Herkunft
Ernst Simmel war der Jüngste von sieben Brüdern und zwei Schwestern. Er kam in Breslau in einer jüdischen Familie zur Welt. Sein Vater, Siegfried (Schmuhl) Simmel (*1840), stammte ursprünglich aus Zülz, Kreis Neustadt, Oberschlesien. Er war „Fonds-Makler für Bankgeschäfte“ und hatte Konkurs anmelden müssen, nachdem er für einen leichtfertigen Cousin, „unsern kleinen Schwindler“, wie er von John Simmel einem seiner Verwandten, charakterisiert wird, eine Bürgschaft gezeichnet hatte. Siegfried Simmels Ruf war ruiniert, und die Familie zog 1883 nach Berlin. Er starb am 7. August 1904 mit 64 Jahren. Er wurde auf dem Jüdischen Friedhof, Berlin-Weißensee, Gräberfeld S 2, Reihe 2 beigesetzt. Die Großmutter Ernst Simmels (väterl.), Rosalie Simmel, geborene Cohn, am 12.Mai 1816 lebte mit im Berliner Haushalt. Sie war die Witwe des Kaufmanns Siegfried Simmel und starb am 14. April 1902, 85-jährig.
Ernst Simmels Mutter, Johanna (* 1851), stammte aus Breslau. Ihr Vater, Adam Friede, war Kürschnermeister. Rosalie, seine Ehefrau, war eine geborene Goldschmidt. Johanna Simmel war ursprünglich Lehrerin, betrieb aber in Berlin ein „Platzierungsbüro für Lehr, Erziehungs-und Wirtschaftsfachpersonal“. Sie wurde neben ihrem Ehemann begraben.
Ernst Simmel war also noch ein Baby, als die, wahrscheinlich zwölfköpfige, Familie, einen Neuanfang in Berlin wagte. Johanna Simmel ernährte die Familie mit ihrer Agentur. Die Agentur schien zu florieren, denn 1894 und 1904 eröffnete sie kurzfristig Filialen. Am 1. April 1907 zogen Agentur und Familie - insofern die Kinder noch zu Hause lebten - in die Lützowstraße 50 im Tiergarten. Johanna Simmel starb am 16. Dezember 1909 mit 58 Jahren. Sie wurde neben ihrem Mann beerdigt. Die neue Firmeninhaberin war Margarethe Simmel (*1. Juni 1874), ihre Schwiegertochter, die das Platzierungsbüro bis 1920 führte. Von 1921 bis 1933 firmierte es wieder unter „Johanna Simmel“, die wohl schon zu einer „Marke“ geworden war.
Ernst Simmels ältester Bruder Hermann starb mit 20 Jahren an TBC. Der nächste Bruder, Eduard, war Pelzhändler und lebte in Brüssel. Von ihm existieren zwei unpublizierte Manuskripte "Wie erfand der Mensch Gott?" und "Ursprung der Sprache". Robert (* 9.Februar 1876), ein weiterer Bruder, besaß eine Druckerei. Auch von ihm ist ein Bändchen erhalten mit dem Titel "Reflexe, Reflexe, Reflexe". Als seine Frau Ella (*4.Oktober 1888 Frankfurt/Oder) mit ihrem Sohn Peter (*31.Januar 1921) über Rotterdam mit dem Schiff SS Dintteldyk am 19.Dezember 1938 nach San Pedro in Kalifornien kam, war ihr Mann Robert bereits gestorben. Adolph, ein weiterer Bruder, war Lithograph und Handlungsreisender und Georg, Kaufmann und Buchdruckereivertreter (* 9.Februar 1876). Georg und Margarethe Simmel, die das Platzierungsbüro in der Linkstraße 16 übernommen hatte, hatten drei Kinder (Stand v. 1937): 1. Fritz, * 28.04.1906, Student, verh. mit Ruth Johanna Ursula, Schneiderin, * Stettin, 8.11.1913, 2. Johannes, *24.09.1909, Student, und 3. Lieselotte *31.03.1916, ebenfalls Studentin). Die Familie konnte vor den Nationalsozialisten fliehen und traf am 16. April 1937 mit der „Manhatten“ in Los Angeles ein.
Ernst Simmels Schwester Gertrud, verh. Zucker, war städtische Beamtin und Stadtverordnete. Sie starb bereits 1923, und Ernst Simmel hielt die Traueransprache. Ernst Simmel kam also aus einer großen Familie, die in sehr bescheidenen Verhältnissen lebte.
Ernst Simmel besuchte drei verschiedene Gymnasien und verließ das Leibniz-Gymnasium am Mariannenplatz in Berlin-Kreuzberg mit der 11. Klasse. Anschließend begann er eine Apothekerlehre. Seinen Berufswunsch, Schauspieler zu werden, konnte er nicht verwirklichen, da er sehr klein gewachsen war. Trotzdem blieb die Freude an der „großen Bühne“ (Esplanade s.u.), am Rezitieren und an der tragischen Komik eines Charlie Chaplin (ein Bildband von ihm lag in seinem Berliner Wartezimmer) ein häufig zitiertes Merkmal seiner Persönlichkeit. Während seiner 4-monatigen Lehre bereitete er sich auf das externe Abitur vor. Nach der erfolgreich bestandenen Prüfung vor der Königlich-Preußischen-Prüfungs-Kommission, 1902, begann er zunächst in Berlin mit dem Pharmazie- und Medizinstudium und setzte es im Mai 1907 in Rostock fort. Im Juli 1908 legte er das medizinische Staatsexamen ab und trat eine Medizinalpraktikantenstelle an der Universitäts-Poliklinik für Nerven- und Gemütskranke in Gehlsheim (Rostock) unter Prof. Schuchardt an. In seiner Dissertation bei Schuchardt, Kritischer Beitrag zur Ätiologie der Dementia praecox, zitierte er bereits die Schriften von Karl Abraham, Sigmund Freud und Carl Gustav Jung.
Am 22.November 1910 heiratete Ernst Simmel die Sozialarbeiterin Alice Seckelson (*20.September 1883, Berlin).
Seine Zeiten als Assistenzarzt absolvierte er am Pathologischen Institut des Städtischen Krankenhauses in Darmstadt (1909 - 1911) und am Auguste-Viktoria-Krankenhaus in Berlin-Schöneberg (1911 – 1913).
Zum 70. Geburtstag von Ignaz Zadek, Arzt und Stadtverordneter für die SPD in Berlin, ließ Ernst Simmel den Geist, in dem er politisch sozialisiert war, aufleben: „Als ich im Jahre 1913 mit Entsetzen sah, wie die Kluft zwischen Arbeitern und Ärzten sich immer mehr vertiefte, wie das Verständnis zwischen Krankenkassen und Versicherten auf der einen Seite, den Ärzten auf der anderen Seite, immer hoffnungsloser dahin schwand, überlegte ich einmal mit Karl Kollwitz, was aus diesem ganzen Irrsal herausführen könnte“. Als Ausweg erschien ihm die Gründung des Sozialdemokratischen Ärztevereins (1913) mit den „väterlich-brüderlichen“ ärztlichen Genossen Karl Kollwitz (+19 J.) und Ignaz Zadek (+ 24 J.). Der sich aus diesem Verein 1918 abspaltende Verein sozialistischer Ärzte stellte in der Weimarer Zeit die wohl wichtigste oppositionelle Gesundheitsbewegung dar. Ernst Simmel gab von 1925 bis 1933 die Verbandszeitschrift Der sozialistische Arzt heraus. Sein Herz schlug „gewerkschaftlich“ links.
1913 eröffnete er in Berlin-Treptow, einem Arbeiterbezirk im Südosten Berlins, in der Scheibler Str. 6 (Post Baumschulenweg) seine Kassenpraxis.
Ernst Simmel meldete sich als Freiwilliger zum Kriegsdienst. Von 1914 bis 1916 war er Feldarzt und von 1916 bis 1917 Chefarzt eines Lazarettes für Nierenkranke. Anschließend (bis 1919) übernahm er als Oberstleutnant das Festungslazarett Nr.19 für Kriegsneurotiker in Posen. Im Ersten Weltkrieg füllten etwa 200.000 traumatisierte Soldaten die Krankenstationen, von denen ca. 15.000 auch drei Jahre nach Kriegsende noch behandelt werden mussten.
Im Gegensatz zu seinen ärztlichen Kollegen, die die Kranken peinigten, um sie dazu zu zwingen, „in die Gesundheit zu fliehen“, war Simmel davon überzeugt, dass die Psycho-Pathogenese der Kriegsneurose nur psychoanalytisch behandelt werden könne. Angesichts der großen Zahl der Kranken kombinierte er analytisch-kathartische Hypnose mit wachanalytischer Aussprache und Traumdeutung („Ich behandle keinen Kranken, dessen Träume ich nicht kenne“). Die Kriegsneurose verstand er als psychische Sicherung, die den Soldaten vor der Psychose bewahren sollte. Sein Vorgesetzter Adolf Schnee und der katholische Lazarettpfarrer Val. M. Kehrein unterstützten seinen Ansatz.
Ein „Erweckungserlebnis“ durch die Begegnung mit Freud und der Psychoanalyse, wie es viele der ersten Anhänger Freuds von sich berichten, ist von Simmel nicht überliefert. Seine Schrift Kriegs-Neurosen und "Psychisches Trauma" sandte er im Februar 1918, ohne helfende Vermittlung, direkt an Sigmund Freud.
Bevor Freud Simmel (am 20.02.1918) antwortete, schrieb er sowohl an Karl Abraham als auch an Lou Andreas Salomé, erfreut von diesem Arzt, der sich „ohne gönnerhafte Herablassung“ der Psychoanalyse – wenn auch begrenzt – bediene.
Anschließend drückte Freud gegenüber Simmel als einem „persönlich völlig unbekannten Anfänger der PS (Psychoanalyse)“ seine Genugtuung über dessen Schrift aus. Kritisch vermerkte er, dass die Arbeit eher als „kathartische“ denn als „analytische“ zu bewerten und dass sie bei der Psychoanalyserezeption seit der Einführung des Begriffs Narzissmus (1914) stehen geblieben sei. Die Verwendung der Hypnose anerkannte Freud als den Zoll, den die Massenbehandlung fordere – aber sie verdecke die Ätiologie aus den psycho-sexuellen Triebkräften.
Vielleicht hatte sich Simmel eine eindeutigere Begeisterung gewünscht und ließ erst einmal nichts von sich hören. Abraham, der vor allem Simmels „Bekennermut“ lobte, versprach, sich mit ihm in Verbindung zu setzen. Simmel brauchte mindestens zwei Monate, um Freud zu antworten.
Simmel wurde als Gast auf den V. Internationalen Psychoanalytischen Kongress nach Budapest (28. –29.9.1918) eingeladen, um ein zweites Korreferat zu halten. Er sprach Zur Psychoanalyse der Kriegsneurosen. Auf diesem Kongress waren österreichische, deutsche und ungarische Regierungsvertreter anwesend, die sich für die therapeutischen Erfolge der Psychoanalyse interessierten. Sigmund Freud plädierte für die Massenanwendung der Psychoanalyse („... dass wir bei der Massenanwendung unserer Therapie das reine Gold der Analyse werden legieren müssen“) und dafür, sie einer breiten, unbemittelten Bevölkerungsschicht zugänglich zu machen. Diese Perspektive entsprach ganz Simmels sozialistischer Haltung. Karl Abraham, der sich mit Simmel auf der Rückfahrt nach Berlin lang unterhalten hatte, reagierte nun verhalten. Er kritisierte, dass Simmel Widerstände gegen die Anerkennung der sexuellen Ätiologie bei der Kriegsneurose habe.
Trotzdem entschloss sich Freud, im Dezember 1918 den Prix d'honneur für die beste ärztliche Abhandlung an Abraham, einen seiner ältesten Schüler und an Simmel, den Neuling, zu vergeben. Mit welchen Gefühlen mag Abraham diese Entscheidung wohl aufgenommen haben. Freud bat ihn nämlich, Simmels Adresse in Posen ausfindig zu machen und ihm die Nachricht vom Preis samt Kommentar und Hälfte des Betrags zukommen zu lassen.
Im April 1919 begann Simmel eine Analyse bei Karl Abraham, eine weitere Analyseerfahrung folgte später bei Hanns Sachs. Am 5. Juni 1919 stellte er sich, zusammen mit Heinrich Koerber, mit Referat und Korreferat zur Frage Hypnose und Psychoanalyse der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung vor. Bereits drei Monate später trat er als sozialpolitischer Psychoanalysevertreter auf. In der Sonntagsausgabe der Vossischen Zeitung vom 24. August 1919 appellierte er in seinem Artikel Psychoanalyse der Massen an die Gesellschaft, Konsequenzen aus den Behandlungserfahrungen von Kriegsneurotikern nun, in Friedenszeiten, zu ziehen. In seinen Patienten sah er die Folgen der kriegsbedingten Entsublimierung – d.h., dass die Grenze zwischen Bewusstem und Unbewusstem durch ein perverses „Moralgebot“ aufgehoben war und sich die im Krieg entfesselten Triebe nun, im Frieden, selbstzerstörerisch gegen die eigene Person und die eigene Nation richteten. Aus der Kriegsneurose wurde eine Friedensneurose. Mit Freuds Votum, der Massenanwendung der Psychoanalyse als Gewissensentscheidung der Gesellschaft, begründete Simmel die angekündigte Eröffnung einer psychoanalytischen Poliklinik. Psychoanalyse war für Simmel eine politische Mission. Der Initiator und Mäzen der Psychoanalytischen Poliklinik war Max Eitingon. Eitingon bezeichnete Simmel als seinen „engsten Mitarbeiter“.
Am 14. Februar 1920 wurde das erste Berliner Psychoanalytische Institut (BPI) mit Poliklinik und Lehranstalt der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung (BPV) in der Potsdamerstraße 29 (heute Nr. 74), Berlin-Tiergarten, feierlich eröffnet. Unter Leitung von Max Eitingon und Ernst Simmel, einem der wenigen approbierten deutschen Ärzte unter den Analytikern, und mit Unterstützung des Vorsitzenden der Berliner Vereinigung, Karl Abraham, nahm die Poliklinik, die auch Unbemittelten die Möglichkeit einer psychoanalytischen Behandlung bot, ihre Arbeit auf. Unter den wechselnden Mitarbeitern der Poliklinik war, nach einer Analyse bei Simmel, 1922 auch der Nervenarzt Alfred Döblin, der vor allem als Schriftsteller bekannt wurde.
Innerhalb relativ kurzer Zeit gehörte Ernst Simmel zu den die BPV gestaltenden Persönlichkeiten. Er hielt regelmäßig Ausbildungskurse ab und regte eine Kommission an, die ein Ausbildungskonzept entwickelte. Zu den Bestandteilen der psychoanalytischen Ausbildung gehörten nun eine Lehranalyse, Fallseminare, ein psychoanalytisches Curriculum und Kontrollanalysen.
Karl Abraham, der Vorsitzende der BPV, starb am 25. Dezember 1925 überraschend. Er war die große integrative Figur der Vereinigung gewesen – von allen respektiert und geschätzt. Die BPV drohte in kleine, sich gegenseitig bekämpfende Gruppen zu zerfallen. Simmel deutete dieses „schleichende Paranoid“ als Trauerprozess, mit dessen Hilfe sich die Gruppe von dem Führer löste und rivalisierend auf die Psychoanalyse zurückbesann. Denn „die eine (Gruppe) meinte, die andere meine es nicht gut genug mit der Sache der Psychoanalyse, der wir alle dienen“. Nach einigen Kämpfen um Abrahams Nachfolge schlug Max Eitingon Simmel als Vorsitzenden der BPV vor, der schließlich am 23. Januar 1926 von der Generalversammlung einstimmig gewählt wurde. Simmel trat ein schweres Erbe an – und versprach Freud die „vollständige Einmütigkeit der Kollegenschaft“. Obwohl er allseits beliebt war, wurden Simmels originelle Ideen eher belächelt. Michael Bálint, der 1922–1924 das Berliner Psychoanalytische Institut besuchte, berichtete, dass Simmel einmal einen „fürchterlichen“ Vortrag in der Vereinigung gehalten habe. Die jungen Mitglieder saßen in der zweiten Reihe hinter den Senioren und bereiteten „ein Schlachtfest“ vor. Nach Ende des Vortrags beriet sich Abraham kurz mit Simmel und teilte mit, dass dieser keine Diskussion wünsche. Dann schloss er die Veranstaltung. Simmel befasste sich in dieser Zeit mit der psychophysischen Bedeutsamkeit des Intestinalorgans und der Urverdrängung mit ihren archaischen Äußerungsformen wie der des „Darmgurrens“. Diese unartikulierte Organsprache werde immer an der Schwelle des Bewusstseins hörbar, wenn Vorstellungsmaterial erneut verdrängt wird oder nie bewusst Gewesenes sich seiner ersten Wortbesetzung widersetze. In einem internen Rundbrief hatte Abraham nur einen ironischen Kommentar für Simmel übrig, der „die kompliziertesten foetalen Erinnerungen“ an einem kathartisch behandelten Fall habe nachweisen wollen.
Obwohl Simmel sich mit einem gewissen hingebungsvollen Enthusiasmus mit der „Sache der Psychoanalyse“ identifizierte, blieb er in seinem linkspolitischen Milieu präsent, ließ sich, zusammen mit Alfred Döblin, für die "freigewerkschaftliche Liste" einer linksorientierten Ärztegruppe in die Ärztekammer wählen (1930), war Vorsitzender des Vereins sozialistischer Ärzte und hielt Vorträge im Rundfunk, an der Deutschen Hochschule für Politik und beteiligte sich aktiv an Fortbildungsprogrammen für Sozialarbeiter.
Simmel gehörte auch dem Vorstand der Allgemeinen ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie (AÄGP, gegr. 1.12.1927) an und hielt Vorträge bei den Kongressen der Gesellschaft. Als er am 28.2.1930 eine DPG-Resolution einbrachte, in der sich die Psychoanalytiker sowohl administrativ als auch konzeptionell von der AÄGP distanzierten, da sie in ihrer Haltung zur Psychoanalyse noch allzu ungeklärt sei, war es wohl seine Einsicht in die begrenzten Möglichkeiten seines missionarischen Eifers im Dienste der Psychoanalyse.
Freuds 70. Geburtstag am 6. Mai 1926 bot Simmel eine große Bühne im Berliner Hotel Esplanade. Den Psychoanalytikern gebot er das Schweigen als Geschenk an Freud und zitierte den „Zeitgeist“ mit den Stimmen der Festredner. Es versammelte sich die kulturelle und medizinische Berliner High Society mit den Repräsentanten ihres Faches: für die Medizin sprach Geheimrat Prof. Wilhelm His (Direktor der I. Medizinischen Klinik der Charité), für die Ökonomie der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. phil. Julius Hirsch, für die Bildenden Künste der Graphiker und Maler Prof. Emil Orlik, Dozent an der Berliner Kunstakademie und für die Musik der Komponist Prof. Franz Schreker, Dozent an der Preußischen Akademie der Künste. Unter den prominenten Gästen befanden sich Prof. Albert Einstein, Prof. Bier, Prof. v. Eycken, Artur Hollitscher, Alice Salomon, Georg W. Pabst und Prof. Paneth. Grußbotschaften kamen unter anderem von Hermann Hesse, Felix Hollaender, Thomas Mann, Lou Andreas-Salomé, Hans Vaihinger, Jakob Wassermann u. a.. In Tages- und Fachpresse fand dieses Fest einen großartigen Widerhall. Am ausführlichsten wurde die Rede von Alfred Döblin wiedergegeben.
Ein „unsichtbares“ Netz, in dem Simmel die eigentlichen Zeugen und „Träger der Bewegung“ sah, bildeten diejenigen geladenen Gäste, denen die Psychoanalyse als Patienten geholfen hatte. Als „Kronzeugen“ rief Simmel allerdings Freud selbst als „Gesamtkunstwerk“ an. Nach der Entdeckung des Todestriebs sei dieser tödlich erkrankt. „Aber es geschah das Wunderbare, der Tod, der sich ja von Freud selbst in seiner unbewussten Arbeit entdeckt fühlte, neigte sich vor dem Meister und gestand sich als besiegt. – Seit 3 Jahren steht fest, dass Freud von seiner Krankheit völlig geheilt ist.“ Krankheit sei eine Stauung der Libido, und wenn man gesund werden wolle, müsse man „seinen Liebesüberschuss in schaffende Arbeit umsetzen“. Freuds Kraft liege in seinem „Übermaß von Liebesfähigkeit, das von ihm aus der leidenden Menschheit zuströmt“. Diese magische Auslegung der Psychoanalyse ist wohl Simmels Überschwang zuzuschreiben, der uns eher etwas über seine begeisterungsfähige Persönlichkeit verrät und weniger über die von Freud.
Nach dem schweren Verlust von Karl Abraham versuchte Simmel wohl auch mit dieser gesellschaftlichen Aufwertung des Vereins einen Focus der Selbstvergewisserung zu schaffen – denn Freud war in Wien und Geburtstagsfeiern waren ihm überhaupt nicht angenehm.
Carl Heinrich Becker war Islamforscher, Orientalist und (zwischen 1921 und 1930) preußischer Kulturminister und galt als „hellsichtiger Bildungspolitiker“. Sein Sohn Hellmut wurde nach dem Zweiten Weltkrieg die nicht unumstrittene graue Eminenz der westdeutschen Bildungspolitik. Carl Heinrich Becker sah in der Demokratisierung der Hochschule den Kernpunkt aller akademischen Reformen und unterstützte auch die Gründung des Instituts für Sozialforschung von Horkheimer und Adorno. Ernst Simmel hatte 1919 Becker seinen in der Vossischen Zeitung publizierten Artikel Psychoanalyse der Massen überreicht und mit ihm über „die psychoanalytische Rückwirkung des Kriegs auf das Volksganze“ gesprochen. Er konnte Becker auch dafür erwärmen, die Errichtung eines Lehrstuhls für Psychoanalyse zu unterstützen, der dann leider nicht zustande kam. Simmel überbrachte die Einladung zur Freudfeier persönlich. Er hoffe, dass der „verehrte Herr Minister“ durch seine „persönliche Anwesenheit den Wert unseres Festes besonders“ erhöhe. Simmel versuchte Becker bei dieser Gelegenheit für die Finanzierung einer Psychoanalytischen Klinik zu gewinnen. Becker begrüßte die Gründung einer solchen Klinik. Wegen „des negativen Standpunkts der Medizinischen Fakultät“ konnte Becker „überhaupt keine finanzielle Hilfe“ zusagen. Für einen späteren Zeitpunkt stellte er aber Unterstützung in Aussicht. Zur Esplanadefeier kam Becker nicht. Er sei durch eine Dienstreise verhindert. Auch könne er „im Hinblick auf die durch die Landtagsverhandlungen besonders erschwerte Geschäftslage des Ministeriums“, keinem Vertreter seinen Platz überlassen. Eine Grußadresse hat er allerdings auch nicht entsandt.
Johann Jaroslaw Marcinowski, ein früher Anhänger Freuds, hatte am 1. April 1906 das Kurhaus Schloß Tegel unter anderem als „Spezialanstalt für psychische Behandlung nervöser Leiden“ eröffnet. Bei der Wahl dieses Orts bezog sich Ernst Simmel nicht direkt auf Marcinowski - vielmehr war es der Charme dieses Ortes, der trotz seiner Nähe zu „Groß-Berlin“, inmitten eines großen alten Parks am Ufer des Tegeler Sees gelegen war, der sich als Heilstätte für seine Psychoanalytische Klinik so besonders eignete. Am 10. April 1927 wurde das Sanatorium Schloß Tegel feierlich eröffnet. Der „Pate“ dieser Einrichtung war der geniale „wilde“ Analytiker Georg Groddeck, den Simmel in seinem Sanatorium in Baden-Baden seit 1926 mehrfach aufgesucht hatte. In dem Sanatorium wollte Simmel mit vier Psychoanalytikern und einer Reihe von psychoanalytisch interessierten Schwestern 25-30 Kranke mit schweren Neurosen, Süchten und psychosomatisch bedingten Krankheitsbildern nach psychoanalytischen Grundsätzen behandeln. Später stand das anspruchsvolle Behandlungskonzept für seine stationäre Psychoanalyse Pate für die Menninger-Klinik in Topeka.
Nach seiner Krebsoperation musste sich Freud zur Anpassung seiner Kieferprothese und zur Erholung zwischen Juni 1928 und Juli 1930 mehrere Monate im Jahr in Berlin aufhalten. Freud nahm Simmels Angebot, das Ärztehaus des Sanatoriums zu nutzen, gern an und genoss Ernst Simmels Fürsorge auf der "Rettungsinsel". Er danke ihm mit einem Gemmenring, der dem Kreis seiner engsten Vertrauten vorbehalten war: „Und wirklich wüsste ich … in Berlin niemanden, der durch die Echtheit und Intensität seiner Gesinnung die Aufnahme in jenen Kreis (Anm.: das ehemalige ‚Komitee‘, dessen Mitglieder von Freud einen Ring zum Zeichen der Dazugehörigkeit erhielten) … so verdienen würde wie Sie.“
Freud nahm Simmels Visionen einer stationären Psychoanalyse begeistert auf. In diesem stationären psychoanalytischen Milieu könnte ein Teil der psychoanalytischen Ausbildung absolviert werden und eine psychoanalytische Forschungsstätte z.B. für die Behandlung von Psychosen entstehen.
Schon nach zwei Jahren erwies sich das Konzept als nicht mehr finanzierbar. Neben anderen intensiven Versuchen, das Sanatorium zu retten, richtete Simmel einen dringenden Appell auch an den preußischen Minister Carl Heinrich Becker, mit der Bitte, die Gründung einer Stiftung moralisch zu unterstützen. Freud, Eitingon und Einstein hatten den Aufruf unterschrieben. Aus „grundsätzlichen Erwägungen“ verweigerte Becker die Unterstützung (Becker an Simmel 19.03.1929). Trotzdem konnte Simmel Freud die Freude bereiten, Carl Heinrich Becker 1930 zu einem Besuch ins Sanatorium einzuladen. Becker kam und gratulierte Freud „zu dem großen Werk, das Sie für die Menschheit geschaffen haben…“. Anschließend fand eine Diskussion zwischen dem Minister und seiner Begleitung und Freud und den Mitarbeitern des Sanatoriums statt. Dieser Besuch trug dazu bei, dass Freud sich in Berlin so gern gesehen fühlte, dass er „beinah Berliner“ geworden wäre.
Als 1931 die Wirtschaftskrise die Chance der Rettung des Sanatoriums völlig zerstörte, gab Simmel die Klinik nach 4 ½ Jahren am 31. August 1931 auf. Dr. Schlomer, Besitzer und Leiter der Kuranstalt Westend, eröffnete innerhalb des Sanatoriums Westend eine psychoanalytische Station, die er Ernst Simmel zur Leitung anbot.
Am 26. Oktober 1919 wurde Ernst und Alice Simmels Sohn Reinhard geboren. Vermutlich hat sich das Paar bereits 1921 getrennt – denn ‘Dr. Ernst Simmel‘ wohnte von 1919 bis 1923 in Berlin-Wilmersdorf in der Emserstraße 21 und seine Frau ist im Jüdischen Adressbuch seit 1922 als ‘Dr. Alice Simmel‘, Hohenzollerndamm 207 verzeichnet. Es war wohl eine sich lang hinziehende schwierige Trennung, wie man einer Bemerkung Anna Freuds an Eva Rosenfeld vom 22. März 1929 entnehmen kann. Alix Strachey, die Psychoanalysetouristin aus London, die Freude daran hatte ihrem Mann James aus dem Berliner Nachtleben der Psychoanalytiker zu berichten, schrieb ihm, dass sie Simmel, in einer Faschingsfeier, großartig verkleidet als Berliner Nachtwächter getroffen habe. Er habe wirklich Schauspieltalent. Er kam Hand in Hand mit einer jungen Frau, die ebenso zierlich gewesen sei wie er und habe sie mit Unschuldsmiene als seine Verlobte vorgestellt. Reinhard litt unter der Trennung seiner Eltern. Er wurde zur Kinderanalyse zu Melanie Klein geschickt. Ernst Simmel, der seinen Sohn nur ein Mal in der Woche sah und ansonsten mit dem Aufbau der psychoanalytischen Klinik in Tegel beschäftigt war, machte sich Sorgen um ihn. Anfang Oktober 1927 wurde Reinhard nach Wien geschickt. Er begann eine Analyse bei Anna Freud und wohnte bei Eva Rosenfeld. Reinhard ging in die reformpädagogisch-psychoanalytische Hietzing-Schule, die Eva Rosenfeld zusammen mit Anna Freud und Dorothy Burlingham gegründet hatte. Anna Freud berichtete regelmäßig an Ernst Simmel über Reinhards Entwicklung: Sie habe einen guten Kontakt zu ihm gefunden, aber die größte Schwierigkeit bestehe in der Kleinschen Analyse. „Frau Klein hat ihm die tiefsten Gründe seiner Schwierigkeiten aufgedeckt, die Oberfläche ist noch nicht angerührt und ich muss da auf einen merkwürdig umgekehrten Weg mit ihm arbeiten, von unten nach oben hinauf, statt wie ich es sonst mache, umgekehrt. Dabei hat die Trümpfe, die man sonst zur Überzeugung des Patienten auszuspielen hat, alle schon er in der Hand“. Reinhard ging es sehr viel besser, und er kam am 1.April 1929 nach Berlin zurück und lebte bei seiner Mutter.
Hertha Brüggemann (* 21. September 1899, Berlin), Ernst Simmels neue Partnerin, Sekretärin an der Berliner Oper, die in Groddecks Sanatorium zur Behandlung gewesen war, besuchte Ernst Simmel häufig im Sanatorium Tegel und kam dort auch flüchtig in Kontakt mit Freud, den sie eher ehrfürchtig aus der Ferne erlebte. Sie gebar am 30. Januar 1932 den gemeinsamen Sohn Clemens Eduard. Er wurde in Amerika Professor für Psychologie mit Forschungsschwerpunkt "Behavior Genetics“. Er starb am 22. September 2006. Die Einladung, in der Nachfolge seines Vaters anlässlich der Feier zu Freuds 150. Geburtstag am 6. Mai 2006 im Hotel Esplanade die Begrüßungsansprache zu halten, hatte er noch sehr freudig angenommen – und musste sie dann krankheitsbedingt absagen.
Im März 1933 bekam Ernst Simmel während einer Analysestunde mit seinem Lehranalysanden, Martin Grotjahn, einen Telefonanruf. Das war während einer Behandlungsstunde noch nie geschehen. Ein Freund von Simmel im Polizeipräsidium warnte ihn mit einem vorher vereinbarten Code („Bring das Baby sofort ins Sanatorium“), sofort die Stadt zu verlassen, da die Geheimpolizei im Begriff war, ihn als Exponent der Linken zu verhaften. Simmel erklärte Grotjahn die Situation und da das Haus bewacht wurde, kletterten beide durch ein Fenster auf der Hausrückseite und über den Zaun in die angrenzende Kleingartensiedlung. Grotjahn besorgte rasch Geld von Freunden und gab seine gesamten Ersparnisse Hertha Brüggemann, die mit ihrem kleinen Sohn versteckt lebte. Simmel konnte in die Schweiz fliehen. Hier wandte er sich an seinen ehemaligen Kontrollanalysanden, den Züricher Nervenarzt Hans Behn-Eschenburg, in der Hoffnung, sich in der Schweiz niederlassen zu können. Seine Bemühungen waren erfolglos.
Am 7. April 1933 ließ Eitingon seinen eigenen und Simmels Namen vom Schild des Berliner Psychoanalytischen Instituts entfernen, da er fürchtete, dass Simmels politische Position dem Ruf des Instituts schade könnte. Simmel kam - vermutlich aus privaten Gründen - zurück, da er am 23. Juni 1933 von Alice geschieden wurde. Bei seiner Rückkehr kommentierte Simmel die Hilfe seines Analysanden bei seiner Flucht: „Wir haben alle Regeln der psychoanalytischen Ausbildung gebrochen. Dafür sollte ich in ein Psychoanalytikerkonzentrationslager gebracht werden“. Es ist ein bitter-ironischer Kommentar, der drastisch die Unmöglichkeit von Psychoanalyse unter den Bedingungen des Nationalsozialismus aufzeigt. Der Abbruch dieser Analyse aus politischen Gründen war für beide folgenschwer - denn im amerikanischen Exil zeigte sich, dass die Übertragungsbeziehung nicht aufgelöst worden war.
Im August 1933 wurde Simmel dann tatsächlich verhaftet. Seiner ehemaligen Mitarbeiterin im Sanatorium Tegel, Eva Rosenfeld, gelang es, ihn aus dem Gefängnis zu holen. Mit Hertha, seit dem 5. September 1933 „Frau Simmel“, die nicht jüdisch war und seinem kleinen Sohn floh er bei Nacht und Nebel mit einem Besuchervisum nach Brüssel zu seinem Bruder, Ed(o)uard Simmel, der dort ungefähr seit 1899 als Pelzhändler lebte. Hertha Simmel hielt ihn für Ernst Simmels Vater und vielleicht hat er ja auch diese Funktion für seinen jüngsten Bruder übernommen. Endlich bekamen sie ein Visum und die kleine Familie reiste mit der „Manhatten“ über Brüssel und Southampton (England). Am 19. April 1934 landeten sie in New York und trafen am 26. April 1934 in Los Angeles ein. Dorothea Brunswick (Hausfrau), vermutlich die Ehefrau des Psychoanalytikers David Brunswick und Jerome Lachenbruck (Schriftsteller und Psychoanalytiker) bürgten für sie. Ernst Simmel holte auch Alice nach Amerika. Sie kam am 25. März 1939 in New York an. Reinhard war zunächst in Los Angeles bei seinem Vater, siedelte dann zu seiner Mutter nach New York über. Später, in New York, änderte er seinen Namen und nannte sich Michael Hunter. Er wurde Schriftsteller und Dokumentarfilmer.
Simmel half sehr vielen Familienmitgliedern und Freunden mit seiner Bürgschaft Europa zu verlassen.
In den 20er Jahren wurde Psychoanalyse in Kalifornien ziemlich vernachlässigt. Unqualifizierte Quacksalber, die Geld machen wollten, beherrschten das Feld. Dann begannen einige, in Europa nach den Regeln der IPV ausgebildete, Psychoanalytiker in Los Angeles zu praktizieren. Zu ihnen gehörte David Brunswick, der zeitgleich mit seinem Bruder Mark und dessen Frau Ruth bei Freud in Analyse gewesen war und der Simmel in Berlin kennengelernt hatte. Brunswick lud Simmel nach Los Angeles ein. Obwohl Simmel eigentlich ärztliche Analytiker bevorzugte, ließ er sich darauf ein, diese Gruppe von neun engagierten Laienanalytikern zu unterstützen und schlug die Einladung der Menningers, nach Topeka zu kommen, aus. In Los Angeles baute Simmel die Psychoanalytic Study Group Los Angeles auf und war ihr erster Präsident. In dieser Gruppe waren auch nichtärztliche Psychoanalytiker und Ärzte ohne amerikanische Lizenz willkommen (Sommer 1935). Die Gruppe gehörte nicht der American Psychoanalytic Association (APA) an. Zunächst war sie mit dem Institut in Chicago affiliiert und ab 1938 mit dem in Topeka. Um seine Vision, eine psychoanalytische Klinik nach seinem Tegler Vorbild aufzubauen, zu realisieren, brauchte Simmel qualifizierte Mitarbeiter und gründete ein Ausbildungsinstitut (1938). Er hielt Seminare ab und bot Supervisionen an. Frances Deri, seine enge Mitarbeiterin aus dem Sanatorium Tegel, mit der ihn bis zu seinem Lebensende eine enge Freundschaft verband, kam im April 1935 aus Prag, Otto Fenichel folgte im Frühjahr 1938.
1938 führte die APA Ausbildungsstandes ein. Nur ärztliche Kandidaten sollten zur psychoanalytischen Ausbildung zugelassen werden. In einer Übergangszeit, verächtlich „Großvaterklausel“ benannt, durften auch Laienanalytiker, die ihre Ausbildung vorher abgeschlossen hatten, Mitglieder sein. Damit entschied sich die APA klar gegen die Laienanalyse, die damit faktisch aussterben sollte. Wie die meisten europäischen Analytiker hatten sowohl Simmel als auch Fenichel keine in Kalifornien gültige ärztliche Lizenz („unliecened people“) und galten damit auch als Laienanalytiker. Es schmerzte Simmel ganz besonders, dass er als Arzt nicht anerkannt wurde. Simmel und Fenichel waren nur Gäste des offiziellen psychiatrischen Dienstes in Los Angeles. Simmel baute die Psychiatrische Rehabilitationsklinik für Veteranen mit auf. Beide waren über ihre Assoziation mit der Topeka Psychoanalytic Society, Mitglieder der APA.
Simmel regte 1939 ein ½ jähriges Treffen der „West Coast Psychoanalytic Societies“ an. Im April 1940, gründete er das Psychoanalytische Institut Los Angeles. Mit dem Zuwachs von jungen ärztlichen Psychoanalytikern und Flüchtlingen aus Europa (Siegfried Bernfeld, Anna Maenchen und Emanuel Windholz), wurde die San Francisco Psychoanalytic Society, nach großen Konflikten in der „Laienfrage“, am 8.März 1942 gegründet. Im Mai 1942 wurden beide West Coast Societies, mit Simmel als Präsident, als APA-Gesellschaft schließlich anerkannt.
Simmel hielt sechs Vorlesungen an der University of Southern California zu den Grundlagen der Psychoanalyse (1938) und wollte sie veröffentlichen. Er schrieb sehr langsam und feilte an jedem Satz. Er war erst zufrieden, wenn er seiner Sekretärin, Diana Atkinson, die Zusammenhänge so darstellen konnte, dass sie sie verstand. Die ersten Vorlesungen sandte er an Freud mit der Bitte um ein Vorwort. Freud antwortete freundlich. Ein Vorwort wollte er nicht schreiben und schickte das Manuskript mit vielen Fragezeichen und Anmerkungen versehen an Simmel zurück. Simmel war so entmutigt, dass er sich nicht zu einer Überarbeitung und Veröffentlichung durchringen konnte.
Simmel beschränkte sich nicht nur auf den engen Kreis von klinisch tätigen Psychoanalytikern. Wie in Berlin wurde er für diese „Missionarstätigkeitsarbeit“ sowohl kritisiert als auch unterstützt. Er leitete ein Sozialarbeiterseminar und eine Ausbildungsstätte für Lehrer und Krankenpflegepersonal.
Im Juni 1944 griff er das zentrale Thema der Zeit auf und organisierte in San Francisco ein Symposium über Antisemitismus, in prominenter Besetzung. An der Analyse des Antisemitismus als Massenpsychopathologie beteiligten sich Otto Fenichel, Bernhard Berliner, Else Frenkel-Brunswik, Theodor W. Adorno, Gordon Allport, Max Horkheimer, Douglas Orr und andere (1946 Anti-semitism. A social Disease). Simmel sah den Antisemitismus als psychopathologische Persönlichkeitsstörung, die sich als Massenpsychose manifestiere – denn der einzelne Antisemit sei kein Psychotiker. Durch Regression auf ein ontogenetisches wie phylogenetisches Entwicklungsstadium des Ichs dominiere verschlingender Hass die Beziehung zur Umwelt als Vorläufer der Liebesfähigkeit. Dieser pathologische Hass erzeuge den Antisemitismus.
Angesichts seiner Gründungsaktivitäten und seiner Präsenz an gesellschaftlich hervorgehobenen Orten, könnte der Eindruck entstehen, dass Simmel ein „Machtmensch“ gewesen sei. Dem widerspricht Diana Atkinson: Simmel seien administrative Funktionen zugeschoben worden, weil er sie ausüben konnte – auch wenn er es nicht immer geschickt tat und kein Verhältnis zum Geld hatte. Einige seiner Patienten erhöhten sogar unaufgefordert ihre Honorare, weil sie sie unangemessen niedrig fanden und als er starb, ließ er seine Frau und seinen Sohn weitgehend ohne finanzielle Mittel zurück. Trotz seiner vielen Verbindungen fehlten Simmel Gesprächspartner, die in seinem Geiste arbeiteten. An Ernst Lewy schrieb er am 5. Oktober 1943, dass er sich nur weg aus Los Angeles wünsche.
Ernst Levy (1947) fand kluge und nachdenkliche Worte zum frühen Tod von Ernst Simmel mit nur 65 Jahren. Ernst Simmels „Unzulänglichkeiten“ seien „nur Schatten seiner Tugenden“ gewesen. „Seine intellektuelle Unabhängigkeit wurde nicht durch Reste eines ungelösten Ödipuskomplexes verzerrt und nahm nicht die Form einer versteckten Rebellion oder diadochalen Rivalität an“. Aber es habe Simmel sehr geschmerzt, dass sich gerade Personen, die er schätzte, wie seinen ehemaligen Analysanden Martin Grotjahn, ihn bekämpften. Für Grotjahn repräsentierte Simmel den starren preußischen Geist (seines Vaters). Als Simmel bereits sehr leidend war, und nach einem Sanatoriums Aufenthalt zu einer Sitzung des Unterrichtsausschusses kam, wurde er, ohne vorherige Ankündigung abgesetzt. Das hat ihn tief getroffen. Trotz allem hielt er an seiner „produktiven Orthodoxie“ fest – d.h., dass er kein Freudianer dem Worte nach war, sondern in Freuds Sinne tief nachdachte, um unbewusste Quellen unseres Handelns dort zu „fassen, wo sie mit biologischen Kräften zusammenfallen“. Simmels politische Mission verband ihn mit Max Horkheimer und dem Institut für Sozialforschung und den gemeinsamen Themen: der Erforschung des Rassenvorurteils und sozialer Diskriminierung.
In seinen letzten Lebensjahren schrieb Simmel seine wichtige Studie Self-Preservation and the Death Instinct, die zu kontroversen Diskussionen mit Otto Fenichel führten. Deri meinte, dass der Unterschied zwischen Fenichel und Simmel darin bestand, dass Simmel eine sehr kreative Persönlichkeit gewesen sei, der aus einem kleinen Hinweis etwas ganz Märchenhaftes konstruieren konnte. Fenichel sei eher der analytisch klassifizierende Geist gewesen.
Nach Lewy hinterließ Simmel über 60 wissenschaftliche Arbeiten zu folgenden Themen: zu Kriegsneurosen, zu stationärer Psychoanalyse, zu Psychosentherapie, zur psychosomatischen Medizin und zur Kriminologie. In seinen metapsychologischen Arbeiten suchte er eine Annäherung an die Bruchstelle zwischen psychischem und physischem Transfer und scheute nicht davor zurück, ein Massenphänomen wie den Antisemitismus mit den Mitteln der Psychoanalyse aufzuklären zu versuchen.
Eine koronare Herzerkrankung zwang Simmel sich zu schonen. Am 11. November 1947 starb er in Los Angeles.
"Seit vielen Monaten schreibe ich einen Brief an Sie in Gedanken. Nun muss er endlich mal zu Papier kommen. Leider kann ich diesen Brief nicht selbst schreiben, sondern muss ihn diktieren. Ich bin nämlich nicht die ganze Zeit zum Schreiben gekommen, weil ich einerseits immer noch ziemlich stark in der 'Psychoanalytischen Bewegung' (sowas gibt’s hier noch) tätig bin, andererseits ich für meine Gesundheit zu fürchten habe. Ich habe mir inzwischen das übliche Herzleiden zugelegt, das mich im vorigen Herbst und Winter 5 Monate von jeder Arbeit fern hielt. Ich nehme an, es ist dasselbe, was Eitingon auch gehabt hat: Angina pectoris, erleichtert dadurch, dass ich keinerlei Arteriosklerose habe und bisschen kompliziert dadurch, dass man jetzt herausgefunden hat, dass mein Magen angeborenerweise nicht ganz richtig geformt ist, was manchmal dem Herzen die Arbeit erschwert. Nun liege ich wieder seit 6 Wochen im Bett nach einer etwas heftigeren Attacke. Ich bin aber nicht gestorben und habe mir fest vorgenommen, dasselbe für die nächsten 20 Jahre zu vermeiden.
Ich habe mit großem Interesse alle indirekten Nachrichten über Sie gesammelt und würde so gern mal von Ihnen direkt hören.
Zum Thema: 'Psychoanalytische Bewegung in California', worüber ich Ihrem Vater so häufig berichtet habe: Ich glaubte, einen guten Job getan zu haben und meinen Auftraggebern genügt zu haben, die mich vor 13 Jahren nach Los Angeles eingeladen hatten, um das Training in California zu begründen. Ich hatte erst die Psychoanalytic Study Group gegründet, die existiert und floriert, eine Vereinigung unabhängig von der American Psychoanalytic Association. Dann, als wir genügend ausgebildete Ärzte hatten, hatte ich die San Francisco Psychoanalytic Society begründet, dann vor 1½ Jahren die Los Angeles Psychoanalytic Society. So war ich seit 13 Jahren der allgemein anerkannte Direktor für das Training der Psychoanalytiker erst in Californien und letztlich in Los Angeles.
Ich will mir hier keinen Nachruf halten, ich erzähle Ihnen dies nur, weil ich weiß, die psychoanalytische Bewegung, wo immer auf der Welt noch welche stattfindet, interessiert Sie. Als ich nämlich nach 5 Monaten Krankheit zurückkehrte, war es sehr deutlich, dass einige wenige aber einflussreiche Psychiater das nicht gern sahen. Sie hatten mir einen rechtzeitigen ehrenhaften Abgang gewünscht. Erst hat man mich zum Ehrenpräsidenten der Vereinigung ernannt und dann nachher in den engeren Grenzen des educational committees auf Grund geänderter Statuten mit einer politischen Überraschungsabstimmung von 4 gegen 3 Stimmen mir die Leitung des Trainings entzogen. Das ist augenblicklich nicht so schlimm, weil meine Stelle eingenommen wird von einem zuverlässigen Freudianer. Ich weiß, man hat ihn aber nur gewählt, weil man mit ihm besser und schneller fertig werden kann, wie mit mir. Die Leute, die das gemacht haben, sind dieselben, die auf (Franz) Alexander's Buch schwören und es am liebsten sehen würden, dass Alexander mit seiner Neo-Psychoanalysis nach Los Angeles übersiedeln würde. Es sind Leute, die zwar nicht ganz das Ansehen besitzen, das ich mir erworben habe, aber viel mehr Geld und Einfluss haben auf Grund mehr oder weniger absichtlich nicht aufgelöster 'Übertragungen'.
Wir haben hier ein psychoanalytisches Institut, das vorläufig keinerlei Räumlichkeiten hat und nur in der Ausbildung von Psychiatern besteht. Bevor ich das erste Mal krank wurde, war ich der Direktor des Instituts. Wie ich wieder kam, hörte ich indirekt, ich wäre acting director, nur so lange, als der Posten unbezahlt ist. Mein Hauptgegner hat, wie ich hörte, erklärt, dass sie dem Institut eine Spende von $ 50.000.- verschaffen könnte, und dann würde sie sich einen Director from the East kommen lassen, 'who has a bigger name than I have'.
Sie sehen, in welche Sackgassen die psychoanalytische Bewegung in Amerika laufen kann. Das Verhalten mir gegenüber wird natürlich öffentlich frisiert als Rücksicht auf meinen leidenden Zustand. In Wirklichkeit ist es umgekehrt. Ich war bereits verhältnismäßig wohl und hatte auch meine Lehrtätigkeit wieder aufgenommen, bis ich auf diese Art von Opposition stieß. Was mich dabei sehr betroffen hat, waren weniger die paar Amerikaner, die aus der Freudschen Analyse ein reaktionäres business machen wollen, für die reiche Patienten gern viel Geld bezahlen, weil seine Widerstände nicht angetastet werden. Was mich ziemlich erschütterte, war die menschliche Enttäuschung, dass auch ein guter Europäer dabei war, den ich von einem anderen Teil Amerika's nach hier verpflanzt habe, als Fenichel starb, in der Hoffnung einen guten Helfer im Kampf gegen den psychoanalytischen Verfall zu finden. Doch glauben Sie bitte nicht, dass die psychoanalytische Situation, wenigstens in Los Angeles, hoffnungslos aussieht, im Gegenteil. Fenichel und ich haben gut gearbeitet in den vergangenen Jahren, und die Majorität der Vereinigung weiß, was gute Psychoanalyse ist. Nur sehen sie noch nicht hinter die Kulissen. Die guten Freudschen Lehrer sind in Los Angeles immer noch in der Überzahl, und die neuen Kandidaten merken sehr gut den Unterschied und bevorzugen die Freudianer. Ich fürchte, dass die Situation in manchen Teilen Amerikas ähnlich ist wie in Los Angeles, doch sicher bei weitem nicht überall.
Wie Sie vielleicht wissen, ist die Konstitution der amerikanischen Psychoanalytischen Association grundlegend geändert. Die Societies sind keine Mitglieder mehr, sondern nur noch die einzelnen Analytiker. Das bedeutet auch, dass jeder Ort oder Stadt so viele psychoanalytische Institute haben kann, wie er will, und dass diese psychoanalytischen Institute von der American Psychoanalytical Association approbiert werden, wenn sie bestimmte Grundbedingungen erfüllen, d.h. vor allem 4 qualifizierte ausgebildete Analytiker haben, die Ärzte sind. Deswegen sehe ich jetzt mehr denn je als meine Pflicht an, das von mir erträumte Sigmund Freud Institut zu begründen. Ein Institut von einer kleinen Gruppe guter Freudianer gegründet, das dann durch Cooption andere Analytiker dazu wählt, die nicht nur gut ausgebildet sind, sondern auch charakterologisch das sind, was Ihr Vater war und was er von Analytikern erwartete. Ich bin überzeugt, dass eine große Menge auch amerikanischer Psychoanalytiker auf eine solche "Gegenbewegung" warten.
Soweit mein Bericht, der, ich glaube, Sie interessieren wird. Ich bin auf dem besten Wege zur Recovery und hoffe, noch ein ganzes Weilchen zu arbeiten. Böse ist allerdings, dass man wirtschaftlich immer wieder an den Anfang zurückgeworfen wird.
…..
Bitte meine besten Grüße an Mrs. Burlingham und Eva Rosenfeld und herzliche Grüße und alle guten Wünsche für Sie
Ihr
Ernst Simmel"
(LoC nach Schultz-Venrath 1992, S. 200-203).
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurden die Literaturhinweise nicht in den Text aufgenommen.
Albrecht, C. (1999): Vom Konsens der 50er zur Lagerbildung der 60er Jahre: Horkheimer
Institutspolitik. In: Albrecht, C. et.al., Die intellektuelle Gründung der Bundesrepublik. Eine Wirkungsgeschichte der Frankfurter Schule. Verlag Frankfurt/New York (Campus) S. 132-168
Bernhardt, H. (2011): »Stimmungszauber, das war der Leitgedanke bei der Gründung der Anstalt.« Das Sanatorium Schloss Tegel in statu nascendi (1904-1907). Luzifer-Amor: Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse, 24(47):59-65
Brecht, K., Friedrich, V., Hermanns, L. M., Kaminer, I. J., Juelich, D. H. unter Mitwirkung von Lockot, R. (1985): "Hier geht das Leben auf eine sehr merkwürdige Weise weiter...". Zur Geschichte der Psychoanalyse in Deutschland. Hamburg. Kellner
Declercq R. (2015): Transnational Entrepreneurs? German Entrepreneurs in the Belgian Fur Industry (1880 to 1913) in: Zeitschrift für Unternehmensgeschichte, Jahrgang 60, Heft 1, S.52 - 74 C.H.BECK, München
Eissler, K. (1953a): Interview mit Hertha Simmel (3.Mai 1953). Image 7 of Sigmund Freud Papers: Interviews and Recollections, 1914-1998; Set A, 1914-1998. L.C. https://www.loc.gov/resource/mss39990.12207/?sp=2&r=-0.207,0.164,1.244,0.74,0
Eissler, K. (1953b): Interview mit Eva Rosenfeld. Image 17 of Sigmund Freud Papers: Interviews and Recollections, 1914-1998; Set A, 1914-1998; https://www.loc.gov/resource/mss39990.12110/?sp=16&r=0.104,0.714,1.022,0.645,0
Freud, E. u. Freud L. (1968): Sigmund Freud. Briefe 1873-1939. S.Fischer, Frankfurt a. M.
Falzeder, E. u. Hermanns, L.M. (Hg.): Sigmund Freud/ Karl Abraham Briefwechsel 1907-1925 Bd. 2: 1915-1925. Turia+Kant. Wien.
Grotjahn, M. (1987): My favorite Patient. The Memoirs of a Psychoanalyst. Peter Lang, Frankfurt a. M., Berlin, New York, Paris.
Hassenkamp, von M. F. (2014): Psychische Leiden im Ersten Weltkrieg: Hetzjagd auf angebliche Feiglinge. Süddeutsche Zeitung vom 19. März 2014
Hermanns, L. M. u. Schultz, U. (1985): Produktive Orthodoxie - über Ernst Simmel 1882 - 1947. PsA-Info 25 (1985) 24-30
Hermanns, L. M. (1986): Groddeck und Ernst Simmel. In: Siefert, Helmut; Kern, Frieder; Schuh, Beate; Grosch, Helmut (Hrsg.) Groddeck Almanach, Stroemfeld/Roter Stern, Basel Frankfurt a.M. S.165-S.172
Hermanns, L.M. (1992): Der „komplizierte Fall San Francisco“ oder „Psychoanalyse ist Laiensache“- Siegfried Bernfelds Brief an Anna Freud aus dem Jahre 1937. In: Fallend, K., Reichmayr, J. (Hg). Siegfried Bernfeld oder die Grenzen der Psychoanalyse. Materialien zu Leben und Werk. Stroemfeld/Nexus, Frankfurt a.M, 290–299.
Hermanns, L. M. & Schultz-Venrath, U. (1993): Ernst Simmel – Psychoanalyse und ihre Anwendungen. Ausgewählte Schriften. Fischer Taschenbuch Verlag, Frankfurt a. M.
Horkheimer, M. (1978): Ernst Simmel und die Freudsche Philosophie. Psyche – Z Psychoanal., 32 (5-6):483-491
Kandelin, A. (1963): Interview with Diana Atkinson on Dr. Ernst Simmel, November 15, 1963, November 15, 1963| NCP-LA
Kandelin, A. (1965): Biographical Notes on Dr. Ernst Simmel, RG-05.01, June. NCP-LA
Lachenbruch, J. (1963): Interview with Mr. and Mrs. Jerome Lachenbruch, December 14, 1963 with W. S. Horowitz
Lewy, E. (1947): Ernst Simmel: 1882–1947. Int. J. Psycho-Anal., 28:121-123
Lockot, R. (2011): „Meine Damen und Herren, der Zeitgeist ist unter uns“. Mittwoch, den 5. Mai 1926, im Hotel Esplanade in Berlin. Luzifer-Amor; Zeitschrift zur Geschichte der Psychoanalyse. Heft 47, 24. Jg. S. 84–97
Mattenklott, G. (1987): Briefe Sigmund Freuds an Georg Hermann, Neue Rundschau, 98. Jhrg. H. 3
Meisel, P. u. Kendrick, W. (1986) (Hrsg.): Bloomsbury/ Freud. The Letters of James and Alix Strachey 1924-1925. London
Mühlleitner, E., Reichmayr J. (1998): Otto Fenichel: 119 Rundbriefe (1934-1945): Band I: Europa (1934-1938). Band II: Amerika (1938-1945) Stroemfeld /Roter Stern, Frankfurt a. M.
Raulff, U. (2009): Kreis ohne Meister. Stefan Georges Nachleben. C.H. Beck, München
Schröter M. Hrsg. (2004): Sigmund Freud und Max Eitingon Briefwechsel 1906-1939 Bd II Ed. Discord Tübingen.
Schröter, M. (2018): Die Psychoanalyse und die »Kriegsneurosen«. In Psyche, 72. Jahrg. Feb. S. 122-145 Klett-Cotta , Stuttgart
Schröter, M. (XXX): Buchmanuskript mit dem Arbeitstitel „Auf dem Weg zur Etablierung (von 1908 bis zum Ende des Ersten Weltkriegs)“, Teil II
Schröter, M. (XXX): Buchmanuskript mit dem Arbeitstitel "Der psychoanalytische Sonderweg. Eine Geschichte der Freud-Schule bis 1945", Teil V
Schultz-Venrath, U. (1992): Psychoanalytische Klinik "Sanatorium Schloß Tegel GmbH"-
Zur Entstehungsgeschichte stationärer Psychotherapie und psychoanalytischer Psychosomatik. Habilitationsschrift Universität Witten/Herdecke 1992. Deutsche Hochschulschriften 2081, Mikroedition. Hänsel-Hohenhausen, Egelsbach, Frankfurt a. M., Washington
Simmel, E. (1918): Kriegs-Neurosen und "Psychisches Trauma" . Ihre gegenseitigen Beziehungen dargestellt auf Grund psycho- analytischer, hypnotischer Studien. Geleitwort v. Adolf Schnee. Verlag Otto Nemnich, Leipzig, München
Simmel, E. (1928): Ignaz Zadek zum Geburtstag. In: Der Sozialistische Arzt. Vierteljahrszeitschrift des "Vereins Sozialistischer Ärzte". III. Jahrgang. Nr. 4. April 1928
Simmel, E. (1993): Psychoanalyse und ihre Anwendungen. Ausgewählte Schriften. Hrsg. Hermanns, L.M. u. Schultz-Venrath. Fischer, Frankfurt.
Staar, B. (2014): Ernst Simmel und seine Bedeutung für die Psychosomatik. Dissertation, Klagenfurt, Alpen-Adria-Univ.
Swerdloff, B.( 1965): Interview mit M. Balint am 6. und 7. August 1965, No. 628, Oral History Department of the Columbia University, New York
Abkürzungen:
B.Adr. = Berliner Adressbuch
Br.Adr.= Breslau Adressbuch
GStA= Geheimes Staatsarchiv Preußischer Kulturbesitz
IZP =Internationale Zeitschrift für Psychoanalyse
L.C.= Library of Congress
Nat.ur. = Naturalisierungsurkunde
NCP-LA =New Centre of Psychoanalysis, Los Angeles
St.reg. = Sterberegister
Für die Überlassung der Bildrechte danke ich Edward C. Simmel, Ph.D.
English Chronicle
1882 4th April: Ernst Simmel is born in Breslau as the youngest of seven brothers and two sisters. Father: Siegfried Simmel, banker, went bankrupt. Mother: Johanna Simmel, maiden name Friede, teacher. To support the family she ran an agency for domestic workers.
1891 Move to Berlin. Ernst Simmel studies at the Leibnizgymnasium (grammar school) in Berlin for 7 years. He takes up an apprenticeship in a pharmacy for 4 months.
1902 Ernst Simmel takes his final exams (Abitur) with the Königlich- Preußische Prüfungskommission (Royal Prussian Exam Board) as an external student.
1902 – 1907 Study of pharmacy and medicine in Berlin.
1907 – 1908 Continues his studies in Rostock. Medical practical training at the University outpatient clinic for Neurology and Psychiatry.
1908 Final medical exam and doctorate with the thesis Kritischer Beitrag zur Ätiologie der Dementia Praecox (A critical contribution to the aetiology of dementia praecox).
1908 – 1909 Medical practical training in Gehlsheim.
1909 Death of his mother, Johanna Simmel.
1910 22nd November: Ernst Simmel gets married to the social worker Alice Seckelson.
1909 – 1911 Junior Doctor at the pathological institute of the City Hospital in Darmstadt.
1911 – 1913 Junior Doctor at the Auguste-Viktoria-Hospital in Berlin-Schöneberg
1913 – 1914 Surgery in Berlin-Baumschulenweg, a working class area in South-East Berlin.
Founding of the Social Democratic Society for Doctors in collaboration with Karl Kollwitz and Ignaz Zadek.
1914 – 1916 Doctor in a field hospital for the treatment of patients with war neuroses.
1916 – 1917 Medical director of a field hospital for patients with renal diseases.
1917 – 1919 Medical consultant in a field hospital for patients with war neuroses in Posen.
His book Kriegsneurosen und Psychisches Trauma (War Neuroses and Psychic Trauma) (Leipzig – München, 1918) catches Freud’s attention. Karl Abraham and Ernst Simmel are jointly awarded the “Prix d’honneur”, created by Freud.
1919 October 26, Birth of Simmel’s son Reinhard: he later called himself Michael Hunter.
1919 Psychoanalytic practice and psychoanalysis with Karl Abraham, later with Hanns Sachs. Alfred Döblin has psychoanalysis with Ernst Simmel.
1920 Co-founder of the Berlin Psychoanalytic Institute. In cooperation with Karl Abraham and Max
Eitingon:
- Formulation of the fundamental principles of a training analysis
- Introduction of clinical seminars
- Development of a first psychoanalytic curriculum
- Development of the Psychoanalytic Clinic
1922 25th September: At the VII. International Psychoanalytic Congress in Berlin Simmel gives the paper Psychoanalytische Betrachtungen über Krankheitsentstehungen und Krankheitsverlauf (Psychoanalytic perspectives on the origin and course of diseases).
1926 After the death of Abraham Chair of the Berlin Psychoanalytic Society. Simmel organises a wonderful celebration to Freud’s 70. birthday at the Hotel Esplanade. Chair of the Society of Socialist Medical Doctors (VSÄ), possibly the most important oppositional public health movement in the Weimar period. Simmel is editor of the journal Der sozialistische Arzt (The socialist doctor).
1927 Member of the Board of the General Medical Society for Psychotherapy (founded 1.12.1927)
Simmel founds the first psychoanalytically orientated sanatorium in Berlin Tegel for severe neuroses, addictions and character pathology (25-30 beds)
1928 During his consultations with Prof. H. Schröder between August 1928 and Juli 1930 Sigmund Freud spends several months at sanatorium Tegel, enjoying Ernst Simmel’s care at the “Island of Rescue”.
1930 Together with Alfred Döblin, Ernst Simmel is voted in as member of the Medical Council for the “ Freigewerkschaftliche Liste” (Free Union voting list), a left group of medical doctors.
1931 Closure of the sanatorium for financial reasons, following an unsuccessful international appeal. Simmel becomes director of a psychoanalytically oriented ward at Sanatorium Westend.
1932 30th January: Birth of his son Edward, later professor for psychology in the United States: his main research interest is “behaviour genetics”. In a public speech Simmel warns of the dangers of emerging national socialism.
1933 As Jew, socialist and distinguished psychoanalyst Simmel is particularly in danger.
1934 At the beginning of the year, Simmel, his second wife Hertha Brüggemann and his two sons flee via Belgium, England and New York to Los Angeles. He is the first practising psychoanalyst at the American west coast.
1935 – 1942 Simmel organises the Psychoanalytic Study Group of Los Angeles. Shortly after he founds the Psychoanalytic Societies of San Francisco and Los Angeles.
1942 – 1944 Simmel’s attempt to found a South California Psychoanalytic Institute, in which treatment, research and teaching are represented and where medical and non-medical psychoanalysts work jointly together, is only partly successful.
1944 In June Simmel organises a symposium on anti-semitism in San Francisco.
1946 He publishes the book Anti-Semitism. A Social Disease (New York).
1947 11th November: Ernst Simmel dies at Los Angeles of coronary heart disease
Simmel left more than 60 publications.
His main themes were: War neuroses, psychoanalytic inpatient treatment, therapy of psychoses, psychosomatics and the application of psychoanalysis on criminology: his interest was even wider but many of his papers remain unpublished.
1993 A collection of papers by Simmel Psychoanalyse und ihre Anwendungen (Psychoanalysis and its applications) is published by Ludger M.Hermanns and Ulrich Schultz-Venrath (Frankfurt).
(Translated by Helga Skogstad)
Stadtplan
Gedenktafel:
Adresse: Eichenallee 23, 14050 Berlin
Sponsoren dieser Tafel: Teilnehmer der Tagung „Macht und Ohnmacht“ der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie Psychosomatik und Tiefenpsychologie
Datum der Enthüllung: 06.11.2004
Anlass: 55. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Psychoanalyse, Psychotherapie und Tiefenpsychologie. Titel: Macht und Ohnmacht
Mitwirkender: Ludger M. Hermanns