(Bearbeitungsstand vom 05. September 2023)
Karen Clementine Theodore Horney geb. Danielsen (* 16. September 1885 in Blankenese; † 4. Dezember 1952 in New York) war Psychoanalytikerin und Ärztin. Sie lebte von 1909 bis 1932 in Berlin und war Mitbegründerin des Berliner Psychoanalytischen Instituts. Horney wurde als warmherzige Lehranalytikerin und beliebte Dozentin geschätzt und kämpfte um ihre persönliche Verwirklichung. Sie ging ihren eigenen, neofreudianischen Weg, bei dem die Frauen zu ihrem besonderen Recht kommen sollten. Sie lebte in der Sophie-Charlotte-Straße 15 (14169 Berlin) zusammen mit ihrem Mann, dem Wirtschafts- und Staatswissenschaftler, Oskar Horney und ihren drei Töchtern: Brigitte, Marianne und Renate.
Karen Horneys Berliner Adressen:
1909
Berlin-Dahlem, Pension, Schweinfurthstr. 4
1913 – 1915 Berlin-Lankwitz, Waldmannstr. 3
1915 - 1917 Berlin-Schmargend., Karlsbader Str. 15
1919 – 1926 * Berlin Zehlendorf-Mitte, Sophie-Charlottestr. 15
(Praxis) 1919 - 1927 Berlin-Wilm., Kaiserallee 202
1926 Berlin-Charl., Steinplatz 2
1926 – 1932 Berlin-Tiergarten, Lützowufer 38 (heute Katharina Heinroth Ufer, 3)
*Diese Bank steht schräg gegenüber der Sophie-Charlottestr. 15.
Der Hausbesitzer hatte die Entfernung der Gedenktafel veranlasst. Den QR-Code, der eigentlich auf die Tafel gehört, finden Sie oben, auf der Bankmitte.
Zur Biographie:
Kindheit im Kampf gegen den Vater
Karen Horney, geboren als Karen Danielsen hatte einen norwegischen Vater. Berndt Henrik Wackels Danielsen (1835 - 1910) war Kapitän bei der weltweit größten Schifffahrtslinie (HAPAG) und tief im evangelischen Christentum verwurzelt. Er ließ sich in Deutschland nieder und hatte in seiner ersten Ehe vier Kinder. Seine Frau starb und er heiratete die 17 Jahre jüngere Clothilde (Sonni) Van Ronzelen (1852 - 1911), die Mutter von Karen Danielsen und ihrem älteren Bruder (Berndt +4J.), die holländisch-deutscher Abstammung war. Bei Karens Geburt war ihr Vater bereits 50 Jahre alt. Sie hatte ein außerordentlich spannungsvolles Verhältnis zu ihm und liebte ihre Mutter sehr. Ihr Vater nahm sie ab und zu auf seine großen Schiffsreisen mit. So reisten sie z.B.1894 zusammen nach Südamerika. Gegen den Widerstand ihres Vaters, aber unterstützt von ihrer Mutter, wechselte sie 1897 die Schule. Sie wollte Abitur machen, um Medizin studieren zu können. Zwischen 1898 und 1911 schrieb Karen Danielsen Tagebuch: Sie hält darin ihre Turbulenzen der Adoleszenz mit ihren Verliebtheiten und emotionalen Krisen fest – aber schreibt auch von ihrem Kampf um Eigenständigkeit.
Der „kleine neurotische Kreis“
1904 ließen sich ihre Eltern scheiden. Von nun an zog ihre Mutter, bis zu ihrem Tod, mit ihr von einem Studienort zum nächsten und sie lebten zusammen. 1906 begann Karen Danielsen, als eine der ersten Frauen, ihr Medizinstudium in Freiburg i.B., zusammen mit ihrer Freundin, Josine Ebsen, die ebenfalls Psychoanalytikerin wurde. Es war ein großer emanzipatorischer Schritt, den diese jungen Frauen wagten. Nicht nur mit ihrer Studienwahl sprengten sie alte Rollenmuster, sondern auch mit ihrem Lebensstil. Eine Gruppe von Freundinnen und Freunden entstand, zu der unter anderen Oskar Horney (‘Hornvieh‘), seine Freunde, die Brüder Otto und Walther Honroth, Lisa Honroth-Loewe, Carl Müller (-Braunschweig) gehörte und Luis Grote (‘Losch‘). Freie, wechselnde Liebesbeziehungen untereinander, die auch außerehelich toleriert wurden, waren Teil dieses neuen Lebensgefühls. Selbst nach ihrer Hochzeit, am 30. Oktober 1910, mit dem Wirtschafts- und Staatswissenschaftler, Dr. rer. Pol. Phil. Oskar Horney (1882 – 1948), hatte Karen Horney eine Liaison mit Walter Honroth (1880 – 1914). Nach dessen frühem Tod heiratete sein Bruder Otto, Lisa, Walters Witwe. Ihre Tochter Carola (verh. Mann) wurde ebenfalls Psychoanalytikerin. Sie war Mitglied am William Alansen White Institute (siehe: "Aus meinem Stadttagebuch").
Dieser „kleine neurotische Kreis“, wie ihn Karl Abraham später nannte (A/F 87A, S.205, 28.Juni 1910), war auch in den Berliner Jahren von Karen Horney eine beständige Bezugsgröße.
Karen Horney studierte das erste klinische Semester in Göttingen und ging im September 1908 zum Physikum an die Berliner Charité. Es folgten intensive und wechselvolle Jahre.
1910 starb Karen Horneys Vater.
Depression und Analyse bei Karl Abraham
Neben dieser außergewöhnlichen Belastung, als Medizinstudentin in einer männerbestimmten universitären Welt, erwartete Karen Horney nun ihr erstes Kind. Sie fühlte sich tief erschöpft, apathisch und depressiv. Von der Möglichkeit einer Psychoanalyse bei Karl Abraham erfuhr sie vermutlich durch den ehemaligen Patienten Freuds, Rudolf Förster, der ebenfalls zu Abraham in Analyse ging und freundschaftlich mit dem Horney-Kreis verbunden war. Abraham hatte gerade zwei Jahre zuvor seine psychoanalytische Praxis eröffnen und nun war Karen Horney auch hier eine der Ersten, die sich in eine therapeutische Analyse begab. Ihre Freunde Ida Behrmann (‘Idchen‘), Carl Müller-Braunschweig und dann auch Josine Müller (-Braunschweig, geb. Ebsen), folgten ihrem Beispiel. Aus ihren Tagebuchnotizen kann man erlesen, wie damals Psychoanalyse praktiziert wurde. Abraham, der selbst noch mit psychoanalytischen Erkenntnissen in der Behandlung experimentierte, trat Horney gegenüber kompetent, erfahren und mit „autoritativem Gestus“ auf, in dem die Belehrung über die Widerstände und die Bestätigung der psychoanalytischen Entdeckungen wie eine Forschungsanordnung wirkten (siehe auch Schröter, 2018, S.19 f). Obwohl ihr diese 500-stündige Intervallanalyse (zwischen 1910 – 1913 u. 1918) bis zu einem gewissen Grad helfen konnte, hatte sie sich mehr davon erhofft und begab sich, Ende 1920, für 6 Monate, in eine weitere Analyse zu Hanns Sachs.
Behauptung als Frau in der Männerdomäne
Im Februar 1911, kurz vor der Entbindung von ihrer ältesten Tochter Brigitte (*29. März, gest. 27. Juli 1988, verh. Swarzenski,), starb ihre, Mutter, nach einem Schlaganfall. Trotz allem konnte Karen Horney das Medizinstudium mit dem Staatsexamen abschließen. Bereits am 18. Januar 1912 stellte sie sich bei der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung mit dem Vortrag: ‘Ergebnisse der Psychoanalyse für die Sexualpädagogik des frühen Kindesalters‘ vor und wurde am 31. März 1912 in die Vereinigung als ‘Frau Dr. Horney‘ aufgenommen – obwohl sie erst am 14. Januar 1915 bei Bonhoeffer promoviert wurde (Titel der Arbeit: ‘Ein kasuistischer Beitrag zur Frage der traumatischen Psychosen‘). Abraham schrieb anerkennend an Freud, dass Horney „eine wirkliche Durchdringung des Stoffs“ gelungen sei. Margarete Stegmann und Karen Horney waren die ersten ordentlichen weiblichen Mitglieder der Berliner Gruppe.
Ihre erste Anstellung, am Städtischen Urban-Krankenhaus unter Albert Fraenkel (1912), diente ihrer neurologisch-psychiatrischen Fachausbildung. Auch Alfred Döblin war in dieser Zeit als Assistenzarzt hier tätig und verließ die Klinik, um in der Blücherstraße 12 seine erste Praxis zu eröffnen. Anschließend ging Karen Horney für acht Monate an die Kuranstalt Lankwitz in das ‘Berolinum‘, das von James Fraekel geleitet wurde und, mit insg. 520 Betten, die größte Heil- und Pflegestätte im Berliner Raum war. Sie war in der Abteilung für weibliche Geisteskranke tätig. Otto Juliusburger, eines der Gründungsmitglieder der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung um Karl Abraham, war Oberarzt am Berolinum (1905 bis 1920). Mit Maria von Stach von Goltzheim (1876-1948), verh. Lessing, Naef, Dingler), eine ihrer Patientinnen, war Karen Horney ein Leben lang befreundet. Maria von Stach taucht auch als Teilnehmerin am III. Psychoanalytischen Kongress in Weimar, 1911, auf (Peglau, 2016).
An der ambulanten Neuropsychiatrischen Klinik der Charité, unter Hermann Oppenheim, qualifizierte sich Horney weiter zur Nervenärztin. 1913 erlangte sie die Approbation. Ihre zweite Tochter (Marianne, * 12. Februar 1913, verh. von Eckardt, † 31.August 2018) wurde geboren. Zusammen mit Josine Müller (-Braunschweig) ging Karen Horney, bis Ende 1914, zurück ins Berolinum.
Neben ihren Töchtern, ihrer Kliniktätigkeit und dem Abfassen ihrer Dissertation engagierte sich Karen Horney, Anfang 1914, auch als Schriftführerin der BPV. Oskar Horney avancierte inzwischen (1915) zum Generalsekretär eines der größten Montanunternehmen (Stinnes-Gesellschaft). Am 29. November 1916 wurde ihre dritte Tochter (Renate, verh. Patterson, † Feb. 2009) geboren. Die Familie zog in eine kleine Villa in die Sophie-Charlottestraße 15, in dem gutbürgerlichen Berliner Bezirk Zehlendorf.
1919 eröffnete Karen Horney ihre psychoanalytische Praxis in Berlin-Wilmersdorf, Kaiserallee 202 (heute Bundesallee 202). Sie empfing aber auch Patienten zu Hause. Diese waren meistens minderbemittelt und beglichen ihre Behandlungsrechnungen mit Dienstleistungen oder mit Naturalien.
Fortsetzung des Kampfes als Psychoanalytikerin
Ihre Arbeit stand für Karen Horney immer an erster Stelle. Am 14. Februar 1920 wurde die erste psychoanalytische Poliklinik in der Potsdamerstr. 29 eröffnet. Zusammen mit Ernst Simmel, Anna Smeliansky, Hans Liebermann, Felix Boehm, Carl und Josine Müller-Braunschweig gehörte Karen Horney mit zu den ersten Mitarbeitern der Poliklinik. Melanie Klein, Jenö Hárnik. Franz Alexander, Ada Schott und Hans Lampl kamen hinzu. Eine Liebesbeziehung zu Hans Liebermann ließ beruflichen und privaten Bereich noch weiter zusammenrücken. Karen und Oskar Horney hatten inzwischen unterschiedliche Freundeskreise und lebten weitgehend nebeneinander her.
Auf dem IPV-Kongress in Berlin, 1922, hielt Karen Horney den Vortrag: "Zur Genese des weiblichen Kastrationskomplexes" und es begegnete ihr der eigenwillige und originelle Arzt, der ‘wilde‘ Psychoanalytiker Georg Groddeck, der ihr Mentor und Freund wurde. Zwischen 1922 und 1935 vertrat sie in 14 Aufsätzen ihre, von Freud abweichende Auffassung zur weiblichen Sexualität. Seit 1926 gehörte sie, zusammen mit Simmel als Vorsitzendem und Radó als Schriftführer zum Vorstand der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung in der Funktion des Kassenwarts und gehörte dem Unterrichtsausschuss an.
Prophylaktische Analyse
Die Euphorie dieser psychoanalytischen Pionierzeit erfasste auch die Familien einiger Psychoanalytiker, die ihre Kinder zur „prophylaktischen Analysen“ zu Melanie Klein schickten (siehe Melanie Klein). Angeblich könne eine frühzeitige Analyse die Entwicklung einer Neurose im Erwachsenenalter verhindern. Auch Karen Horney schickte ihre Kinder zu Melanie Klein in Analyse. Brigitte, die älteste Tochter, weigerte sich zur Analyse zu gehen. Marianne, die zweite, radelte zwei Jahre lang zu Melanie Kleins Villa, „Auf dem Grat“, die unweit des Horneyschen Hauses lag. „Geschadet“ habe ihr die Analyse nicht (Paris 1996, S.306).
Renate, der jüngsten Horney-Tochter berichtet:
„Als ich auf der harten ominösen Couch lag, forderte Melanie mich dazu auf, über meine Gedanken und Träume zu sprechen. Ich war eine gesunde lebhafte Achtjährige und erzählte ihr wie ich auf Bäume kletterte und von Indianerspielen. Die lange Antwort der Therapeutin erschreckte mein unschuldiges Gemüt. Sie sagte, dass sich alle meine Gedanken um meinen Penisneid und anale Spiele drehen würden. Obwohl ich stolz darauf war, die lange Reise mit Bus und U-Bahn zu ihrer Praxis allein bewältigen zu können, fand ich doch bald heraus wie ich möglichst langsam zu ihr gelangen konnte. Ich kam spät an, legte mich nicht auf, sondern tauchte unter die schreckliche Couch und presste die Finger fest in meine Ohren.
Schreckliche Albträume verfolgten mich in der Nacht. Aber an einem regnerischen Nachmittag, als ich nicht wusste, was ich machen sollte, schlug ich Nati vor, Briefe an die Nachbarn zu schreiben und sie in ihre Briefkästen zu schmeißen. Ich hatte großen Spaß dabei alles, was ich auf der Couch gelernt hatte, aufzuschreiben und die Briefe mit „Grüße von deinem Furz“ zu unterschreiben. Es dauerte nicht lang und meine Briefe kamen mit indignierten Kommentaren zurück nach Hause. Wie meine Eltern wohl gelacht haben mögen, aber mein Vater sagte mit aller strengster Miene “Nacki , du musst zu jedem Haus, bei dem du einen Brief hinterlassen hast, gehen und sagen: Entschuldigung, ich bin Furz. Ich habe hier versehentlich etwas fallen lassen!“
Mit Tränen der Scham ging ich vor der ersten Tür auf und ab. Ich musste läuten, weil ich es versprochen hatte. Ein Hausmädchen öffnete, ich ratterte meinen Satz runter und rannte weg. Zu Hause bettelte ich: „Bitte, ist nicht ein Haus genug? Meine Eltern brachen in Lachen aus. Meine Mutter nahm mich in die Arme und sagte, „so viel zur Kinderanalyse“ (Horney, R. 1999, S.18).
Scheidung
1923 starb ihr geliebter Bruder überraschend an einer Lungenentzündung.
Die wirtschaftliche Lage der Familie verschlechterte sich dramatisch, da Oskar Horney, als Folge der Wirtschaftskrise, 1924, seine Stelle verlor. Er erkrankte schwer an Enzephalomeninigitis. Das Haus musste verkauft werden und nach einem kurzen Zwischenstopp in einer herrschaftlichen Wohnung am Steinplatz, trennten sich die Horneys. Karen Horney zog 1927 mit den Kindern in eine bescheidene Wohnung ans Lützowufer und Oskar zog mit seiner Sekretärin Hanna zusammen, die er später heiratete. Karen Horneys Verehrer, Max Eitingon, von den Töchtern „Rosenmax“ genannt, wohnte in unmittelbarer Nachbarschaft, in der Rauchstr. 4.
Karen Horney hielt Vorlesungen an der Berliner Humboldt-Universität und in der Ärztlichen Gesellschaft für Sexualforschung und Eugenik und war eine geschätzte Lehranalytikerin am Berliner Psychoanalytischen Institut (konnte Patienten „lebendig“ werden lassen). Sie besuchte regelmäßig die Tagungen der Allgemeinen Ärztlichen Gesellschaft für Psychotherapie (auf denen sie häufig zu den Vortragenden gehörte), von der sich die Deutsche Psychoanalytische Gesellschaft distanziert hatte und veranstaltete interne Treffen mit Angehörigen anderer psychoanalytisch orientierter Gruppen (unter ihnen: Harald Schultz-Hencke, Arthur Kronfeld, Fritz Künkel, Arthur Gruenthal, Franz Alexander, Edith Jacobson, Erwin Straus und Eric Wittkower). Während Karen Horney ganz im Beruf aufging, hatte sie für ihre jüngste Tochter, Renate, keine Zeit. Die machte die Polizei auf sich aufmerksam: turnte auf den Dächern der Mietshäuser in der Budapester Straße herum und warf von oben Steinchen auf die unter ihr vorbeifahrenden Autos. Sie wurde ins Internat, nach Salem, geschickt und fühlte sich dort gut aufgehoben.
Karriere in den USA
1932 wurde Karen Horney von Franz Alexander (befristet) zum Aufbau eines psychoanalytischen Instituts als Associate Director nach Chicago geholt. Wie alle in Europa ausgebildeten Ärzte musste auch sie das amerikanische Medizinexamen absolvieren. Renate kam mit in die USA, Marianne folgte später und Brigitte, der inzwischen, als immer bekannter werdende Schauspielerin, der Max-Reinhardt-Preis verliehen worden war, blieb in Deutschland.
Nach anfänglichen Schwierigkeiten versammelte Karen Horney auch hier einen Kreis von Psychoanalytikern um sich, dem Blitzsten, Präsident der Chicagoer psychoanalytischen Gesellschaft, mit dem sie sich angefreundet hatte, Karl Menninger, Leo Bartmeier, Harold Lasswell, Erich Fromm, mit dem sie eine konflikthafte Liebesbeziehung verband und andere angehörten. Spannungen mit Franz Alexander und zunehmende Anerkennung in der Amerikanischen Psychoanalytischen Vereinigung veranlassten Karen Horney zu Arbeitsaufenthalten in Washington und New York und schließlich, 1934, zu ihrer Übersiedlung nach New York und Vorlesungstätigkeit in Washington. In deutlicher Abgrenzung zu Freud führte sie nun kulturelle und soziologische Komponenten in die Theorie der Neurosenentstehung ein. Karen Horney wurde freundlich in den „Zodiac Club“, einer fachlich-geselligen Runde um Harry Stack Sullivan aufgenommen, der auch Kulturanthropologen und Juristen, Künstler, Schauspieler und Tänzer angehörten. 1936 hielt Karen Horney einen Vortrag am Deutschen Institut f. Psychologische Forschung u. Psychotherapie in Berlin und besuchte ihre Tochter Brigitte. 1938 ließ sie sich offiziell von Oskar Horney scheiden.
Neoanalyse, Spaltungen und Zen-Buddhismus
1937 erschien 'The Neurotic Personality of Our Time' und 1939 'New Ways of Psychoanalysis'. Nach Spannungen in der New York Psychoanalytical Society, in der Kritik an ihrem neoanalytischen Ansatz geäußert wurde, durfte Karen Horney nur mit einem eingeschränkten Lehranalytikerstatus weiterarbeiten. Unter Sádor Radós dominantem, autoritärem Einfluss habe die Gesellschaft an Liberalität eingebüßt. Am 29. April 1941 trat sie, zusammen mit einigen Anderen aus der American Psychoanalytical Association (APA) aus. Die Gruppe schuf sich ein neues Forum in der Association for the Advancement of Psychoanalysis (AAP, Silverberg) mit dem American Institute for Psychoanalysis als Ausbildungsinstitut. Horney gründete das 'American Journal of Psychoanalysis'. Bereits ein Jahr später spaltete sich eine Gruppe, bestehend aus Sullivan, Fromm, Fromm-Reichmann, Thompson u.a. von der AAP ab, um sich zunächst als New Yorker Zweig der Washington School of Psychiatry zu konstituieren. Sie gründeten dann das "William Alanson White Institutes“ (ohne Horney).
1942 erschien 'Self-Analysis'. Konflikte mit Sullivan, Thompson, Fromm und Blitzsten führten zu einer erneuten Spaltung von der Association for the Advancement of Psychoanalysis und der Gründung der "Comprehensive Course in Psychoanalysis" im Rahmen des "New York Medical College“.
Karen Horney war mit Paul Tillich befreundet, mit Frederick Weiss, mit Paul Lussheimer, und mit Charles Huelbeck, bei dem sie Malunterricht nahm und den sie an die Psychoanalyse heranführte.
1945 erschien 'Our Inner Conflicts' und 1950 'Neurosis and Human Growth'.
In höherem Alter begann sich Karen Horney zunehmend für den Zen-Buddhismus zu interessieren. Sie bereiste, zusammen mit dem Zen-Meister Daistz Suzuki, Japan.
Karen Horney starb an einem Gallenkarzinom.
Literatur:
Falzeder E., Hermanns, L.M. (Hg.) (2009): Sigmund Freud / Karl Abraham Briefwechsel 1907-1925. Vollständige Ausgabe. Verlag Turia + Kant, Wien.
Hermanns, L., M. (1994): Karl Abraham und die Anfänge der Berliner Psychoanalytischen Vereinigung. In: Luzifer-Amor 7, S. 30-40.
Horney, M. (2005): The 120th Anniversary, Karen Horney, September 16, 1885. Karen Horney: A Portrait. The American
Journal of Psychoanalysis, Vol. 65, No. 2, June 2005.
Horney, M. (2013): Feier zum 100. Geburtstag von Marianne Horney im Februar 2013 https://www.flickr.com/photos/10285453@N06/12869179454/in/photostream/
Horney, R. (1999): Lazarus, what’s next? A Memoir by the daughter of noted psychoanalyts Karen Horney Laurel Press Laguna Beach, California. (https://slideheaven.com/the-child-within-karen-horney-on-vacation1.html)
Peglau, A. (2016): Maria von Stach (1876–1948), verheiratete Lessing/Naef/Dingler, Patientin und Freundin von Karen Horney. In: Luzifer-Amor, Heft 58 (29. Jg. 2016): Amerikanische Impulse für die westdeutsche Nachkriegspsychoanalyse. Verlag Brandes & Apsel, Frankfurt a. M. Luzifer-Amor 58, 2/2016(S. 165–170).
Quinn, S. (1987): A Mind of her own. The Life of Karen Horney. Macmillan, London.
Rubins, J. L. (1980): Karen Horney. Sanfte Rebellin der Psychoanalyse. München
Schröter, M. (2018): Buch-Manuskript. Arbeitstitel: "Der psychoanalytische Sonderweg. Eine Geschichte der Freud-Schule bis 1945“ (in print).
English Chronicle
1885 16th September: Birth of Karen Clementina Theodora Danielsen in Hamburg. Father: Berndt Henrik Wackels Danielsen, a Norwegian captain (1835-1910); Mother: Clothilde (Sonni) Danielsen, née van Rozelen, of German-Dutch origin (1852-1911). Brother (+ 3 1/2 years): Berndt. Four older half siblings from father’s first marriage. Goes to a humanistically oriented convent school.
1894 Travels to South America with her father.
1897 Switches to a scientifically oriented grammar school, because of her wish to study medicine.
1898-1911 Diaries (Tagebücher)
1904 Parents’ divorce.
1906 Study of medicine in Freiburg, against father’s opposition, but accompanied by mother: one of the first female medical students;
1908 fall:
completed her preclinical semesters in Freiburg. Spent her first clinical semester in Göttingen. Moved to Berlin to complete her studies.
1910 May: Karen Horney’s father dies age 74.
1909 October 30th: Marriage to Dr rer.pol. Oskar Horney (1882-1948), an economic and political scientist with a brilliant career with Hugo Stinnes.
1911 Move to Berlin, Schweinfurthstraße (Dahlem). 30th October:
1911 February: Her mother, who lived in her house, dies as a result of a stroke. 29th March: Birth of 1st daughter Brigitte (married Swarzenski, actress, died 27.7.1988). Graduation from medical school.
Acceptance into the Berlin Psychoanalytic Association.
1912 First professional stages: City Hospital Urban (August Fraenkel) and Kuranstalt (Health cure hospital) Lankwitz “Berolinum” (James Fraenklin and Otto Juliusburger, one of the first members of the Berlin Psychoanalytic Association around Karl Abraham). Assistant at the Neuropsychiatric Outpatient Clinic of the Charité (Herrmann Oppenheim). Return to the “Berolinum”, together with Josine Ebsen (married Müller-Braunschweig) till end of 1914. Approbation.
1913 12th February Birth of 2nd daughter Marianne (married Eckardt, physician and psychoanalyst, (August 31, 2018)
1915 14th January Doctorate: A Casuistic Contribution to the Question of Traumatic
Psychoses
(Ein kasuistischer Beitrag zur Frage der traumtischen Psychosen). Secretary of the Berlin Psychoanalytic Association
1916 29th November: Birth of 3rd daughter Renate (married Patterson)
1917 Move to 15 Sophie-Charlottenstraße (Architect: Paul Mebes)
1919 Starts a psychoanalytic practice.
1920 Analysis with Hanns Sachs for 6 months. Co-founder of the Berlin Psychoanalytic Institute. Meets Georg Groddeck, who becomes her mentor and friend.
1921 Starts to distance herself from the Freudian theory.
1922 IPA Congress in Berlin: On the Genesis of the Castration Complex in Women.(Zur Genese des weiblichen Kastrationskomplexes).
1923 Death of her beloved brother (from pneumonia)
1924 Horney sends her three daughters to Melanie Klein for “prophylactic analysis”. Oskar Horney suffers an economic and physical breakdown (meningitis)
1926 Move to Steinplatz. Separation from Oskar Horney.
1927 Move to Lützowufer to more modest circumstances, without Oskar Horney. Professional recognition as highly regarded training analyst at the Berlin Psychoanalytic Institute and as lecturer. Extensive lecturing, also outside of the Institute (Humboldt University, Medical Society for Sexual Research, General Medical Society for Psychotherapy etc)
1932 Temporary invitation from Franz Alexander as “Associate Director” of the newly founded Psychoanalytic Institute in Chicago; Horney moves with Renate, Marianne follows later, Brigitte is awarded the Max-Reinhardt-Prize and stays in Germany.
1934 Move to New York and member of the New York Psychoanalytic Institute; Training analyst at the Washington- Baltimore Institute. Second phase of her theorizing: cultural and sociological components of the development of neuroses; distancing from Freud
1935 Lectures at the New School for Social Research. Member of the “Zodiac Club” (Sullivan).
1936 Lecture at the German Institute for Psychological Research and Psychotherapy in Berlin.
1937 The Neurotic Personality of Our Time.
1938 Official divorce from Oskar Horney.
1939 New Ways of Psychoanalysis
1941 29th April: Leaves the American Psychoanalytic Association (APA) and founds the “Association for the Advancement of Psychoanalysis” (AAP, Silverberg) and the American Journal of Psychoanalysis.
1942 Self-Analysis. First split of the Association for the Advancement of Psychoanalysis and founding (without Horney) of the “William Alanson White Institute, initially as the New York branch of the Washington School of Psychiatry (with Sullivan, Fromm, Fromm-Reichmann, Thompson and others).
(Feb.) Second split of the Association for the Advancement of Psychoanalysis and founding of the “Comprehensive Course in Psychoanalysis” under the auspices of the New York Medical College.
1945 Our Inner Conflicts.
1948 Death of Oskar Horney
1950 Neurosis and Human Growth.
1951 Turns to Zen Buddhism; journey to Japan with the Zen Master Daistz Suzuki.
1952 4th December: Karen Horney dies of a gall bladder carcinoma.
(Translated by Wilhelm Skogstad)
Bildquellen:
1. 1917 Karen Horney mit ihren Töchtern Marianne und Brigitte (mit freundlicher Genehmigung von Renate Patterson - Horney)
2. Marianne, Brigitte und Renate, Sophie Charlottestr. 15 (mit freundlicher Genehmigung von Renate Patterson - Horney)
3. Karen Horney in den 20ern, mit freundllicher Genehmigung der A.A. Brill Library & Archives, NYPSI
4. Karen Horney, 1947 in Ajijic. Mexiko (mit freundlicher Genehmigung von Bernard J. Paris)
5. Karen Horney, 1947 in Ajijic. Mexiko (mit freundlicher Genehmigung von Bernard J. Paris)
6. Karen Horney und Renate Patterson, 1947 in Ajijic. Mexiko (mit freundlicher Genehmigung von Renate Patterson - Horney).
Stadtplan
Gedenktafel:
Im August 2019 gab der Besitzer der Sophie-Charlottestr. 15 die Tafel an mich zurück.
Die Tafel ist nun "heimatlos". Die Anbringung an eine andere Wohnadresse von Karen Horney wird eruiert.
Adresse: Sophie-Charlottestr. 15, 14169 Berlin
Sponsoren: Freunde der Psychoanalyse und Psychoanalytiker
Datum der Enthüllung: 06.06.2004
Anlass: Vortrag von Dr. Carola Mann (New York). Feier bei der Tafelenthüllung in Anwesenheit von Dr. Marianne Horney (von Eckardt) aus Kalifornien und Karola Mann aus New York.
Mitwirkende:
Gastgeberin: die das Haus bewohnende Familie Ben Hur
und Marianne Horney, die von Prof. Christiane Ludwig-Körner und Dr. Regine Lockot interviewt wurde.
Bildquellen: Alle sechs Fotos wurden von Regine Lockot aufgenommen.